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„Ich hielt’s für einen Scherz“

Und es hat „klick“ gemacht: Auf einer vom Familien-Ministerium gelobten Internetseite für Frauen entdeckte die prüde „Bild“-Zeitung Schmuddel-Links

„Familien-Ministerin vermittelt Callboys“, dröhnte gestern die Bild-Zeitung. Über die vom Bundesministerium für Frauen und Familie als „Link des Monats“ präsentierte Suchmaschine www. powercat.de gelangten Interessierte unter der Rubrik „im Schlafzimmer“ tatsächlich zu sanfter Erotik – unter anderem auch zu Callboy-Websites. Und Bild hatte sich brav über weitere fünf Stationen in einschlägigere Angebote weitergeklickt. Doch schon mit sechs „Klicks“ kann (nach Angaben des Computermagazins c’t) ohnehin jede Seite im Internet erreicht werden. Wir sprachen mit Carola Enning, der Erfinderin von Powercat.de.

taz: Wie sind sie auf die Idee gekommen, die Suchmaschine Powercat.de zu entwickeln?

Carola Enning: Ich habe eine relativ bekannte Privat-Homepage und bin von anderen Frauen sehr oft gebeten worden, Links aufzunehmen. Diese Linklisten wurden mit der Zeit unübersichtlich: Darum habe ich daraus eine Suchmaschinne mit inzwischen 16.000 Einträgen gemacht, die alle Frauenthemen behandeln. Bislang mache ich das neben der Erziehung meiner beiden Kinder nichtkommerziell als privates Engagement.

Was machen Sie, bevor ein Link aufgenommen wird?

Jede einzelne Seite, die neu dazukommt, wird von mir besucht und daraufhin geprüft, ob sie von einer Frau ist oder über frauenspezifische Inhalte verfügt. Ich lehne jede Seite ab, die über Pornobanner verfügt oder aber von Frauen ist, die sich an die männliche Zielgruppe richten.

Was haben Sie gedacht, als Sie die Schlagzeile in der „Bild“ gelesen haben?

Ich habe das für einen groß aufgemachten Scherz gehalten, weil Powercat eine der wenigen Suchmaschinen ist, die ihre Einträge wirklich redaktionell bearbeitet. Natürlich findet man auch Erotik-Angebote, aber da ist frau nicht das Objekt der Lust, sondern frau hat Lust. Ich weiß nicht, ob Frau das aus Sicht der Bild-Zeitung einfach nicht darf?

Wie hat das Frauenministerium reagiert?

Erst einmal haben sie den Link zu Powercat gesperrt. Ich wurde gebeten, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Das habe ich an meinen Anwalt weitergereicht. Aber es gibt neben dem Unangenehmen auch einen positiven Aspekt: Allein gestern hatte ich 18.000 Klicks statt der sonst üblichen 200. Jeder kann sich ein eigenes Bild machen, und die Resonanz ist bis jetzt sehr positiv.

Interview: VOLKER SIEFERT

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