piwik no script img

Welcher Teufel reitet Schnürschuh?

Betr.: „Ein Ehrenwort“, taz bremen vom 30. März

Es ist schon erschreckend, mit welch simplen Mitteln es Kulturpolitikern – gezielt oder ungewollt – nun doch gelingt, Bremens Künstler gegeneinander auszuspielen und endlich einen kräftigen Verteilungskampf zu initiieren. Da wird eine Opfer-Liste lanciert. Und sofort fällt das Schnürschuhtheater auf dieses miese Spiel herein: Man sei wohl negativ „in den Blick der Kulturbehörde geraten“, raunt man dort, weil man sich „kritisch geäußert“ habe und ein Kunstzentrum am Buntentorsteinweg „als Konkurrenzeinrichtung“ betrachte.

Ach jeh! Warum steht dann gerade das Junge Theater, das nicht aufhört, auf eben dieses Kunstzentrum zu hoffen, auf exakt derselben Opfer-Liste des Kultursenators wie die Schnürschuhe? Warum soll das Junge Theater ohne den angeblichen „Standortvorteil Steintor“ künftig in der Neustadt plötzlich eine „Konkurrenz“ sein? Wäre dann die „Konkurrenz“ zwischen Shakespeare Company und Jungem Theater eigentlich nicht viel bedenklicher für alle Beteiligten?

Das Junge Theater hat das Schnürschuhtheater im letzten halben Jahr sehr oft persönlich und schriftlich um ein Gespräch über etwaige Konflikte und Probleme, über sinnvolle Profilabgrenzungen einerseits und mögliche Kooperationen andererseits gebeten. Darauf ist dessen Ensembleleitung nie eingegangen; man war dort immer gerade „krank“! Stattdessen wird dort seit einem halben Jahr mit Vermutungen, Befürchtungen, Tricks und Unehrlichkeit diffuse Stimmungmache gegen das geplante „Kunstzentrum Buntentor“ betrieben. Mal wird „Konkurrenz“ befürchtet, mal möchte man selber die Schwankhalle nutzen, mal gibt man sich als Vorreiter der Soziokultur, mal werden „Verbündete“ zusammenzitiert, die gar nichts von gemeinsamen Projekten wissen wollen.£

Die überzogene Konkurrenzangst ist immerhin emotional noch gerade nachvollziehbar. Welcher Teufel Reinhard Lippelt aber reitet, nun gleich noch das MOKS und das Concordia anzugreifen, ist allerdings schleierhaft: Das MOKS wird bekanntlich vom Bildungssenator finanziert, wäre also im Kampf um den zu kleinen Kuchen weder für die Schnürschuhe noch sonstwen eine „Konkurrenz“. Das „Concordia“ schließlich wird aus dem Etat des Bremer Theaters finanziert und betrieben – u.a. auch für Gastspiele der Freien Szene. Nach der Schließung des Jungen Theaters in der Friesenstraße gibt es in Bremen für professionelles Off-Theater keine adäquate Spielstätte. Dass man bei Schnürschuhs auch die letzten Nischen für experimentelle Performing Arts schlicht für überflüssig hält, spricht für sich.

Wer solche „Konkurrenzen“ fürchtet und mit Kanonen auf die Spatzen der eigenen Sparte feuert (und ernsthaft „25 Jahre reibungslosen Betrieb“ für ein kulturpolitisches Argument hält), muss ganz andere Probleme haben. Kulturpolitisch ist immerhin zu hoffen, dass nicht noch weitere Einrichtungen sich zu einer dämlichen Entsolidarisierung der Kulturszene hinreißen lassen. Nichts wäre dann leichter, als eine Einrichtung nach der anderen mit Argumenten „aus der Szene“ (!) abzuwickeln – und dann wird die Angst der Schnürschuhe trotz aller Senatoren-Ehrenworte vielleicht doch berechtigt gewesen sein.

Carsten Werner für dasJunge Theater Bremen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen