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Fluss ohne Ufer

Die Tortoise-Schule: Die New Yorker Postrock-Bands Dylan Group und Mice Parade spielen auf der Insel

Von Postrock spricht man bekanntlich dann, wenn eine Rockband alles macht außer Rock. Als Vorreiter dieser Disziplin wurden Tortoise erkannt, und um die ganze Sache mit dem Rock ohne Rock nicht noch unnötig zu komplizieren, wurde Chicago als produktive Keimzelle der Bewegung gleich dazu entdeckt.

Im Windschatten eines Hypes zu agieren kann auch Vorteile mit sich bringen. Adam Pierce, Mastermind der Dylan Group und von Mice Parade, beides Projekte aus dem in Sachen Postrock eher unverdächtigen New York, musste sicherlich nicht so oft wie sein Tortoise-Kollege John McEntire in Interviews erläutern, warum er Postrock eigentlich für einen bescheuerten Terminus hält.

Was dagegen die Plattenverkäufe angeht, würde Pierce bestimmt tauschen. Denn beide Projekte von ihm sind in Deutschland noch reichlich unbekannt. Und das ist schlimm. Denn auch wenn sich das jetzt wie Heldenbashing lesen mag: The Dylan Group ist mindestens so spannend wie Tortoise.

Auf der Suche nach Grenzverwischungen zwischen Song und Track geht The Dylan Group extrem sensibel vor. Werkzeuge wie Dub, Funk und Jazz werden nicht eingesetzt, um eine Materialschau zu betreiben, sondern um die musikalische Textur sukzessive zum Fließen zu bringen.

Ja, Elektronik gibt es auch, doch erfüllt sie eine ähnliche Funktion wie Alfred Hitchcocks regelmäßiger Auftritt in seinen Filmen: Sie ist eher Sahnehäubchen als die Handlung fortschreibendes Element. Mice Parade ist dagegen eher das Frickel-Elektronik-Format.

Die Musik klingt so, als würde Adam Pierce gleichzeitig mit der einen Hand die Gitarre bearbeiten und mit der anderen Knöpfchen drehen. Hausgebrauchselektronik für Indierock-Sozialisierte wird hier zusammengebrutzelt. Das Tolle bei der Live-Präsentation der Mice Parade ist, dass nicht bloß versucht wird, die Introvertiertheit eines einzelnen Mannes auf die Bühne zu holen, sondern dass sich eine sechsköpfige Band angekündigt hat.

Es wird sich also lohnen, anders als normalerweise bei Elektronik-Live-Events, nicht bloß sein Bierglas anzustarren, sondern auch mal einen Blick auf die Show zu werfen. Genau: Show. Die darf man auch von The Dylan Group erwarten. Tragendes Instrument wird das Vibraphon sein. Die Rhythmusgruppe ist tonangebend, Gimmicks wie Trompetereien und Flöteneinlagen sind obligat. Ach ja. Da The Dylan Group genauso wie die Mice Parade auf dem obskuren Label Bubble Core zu Hause ist, hilft bestimmt die Information, dass nun beide Projekte im Rahmen einer FatCat-Tour unterwegs sind. Die Vernetzungszentrale aus London hatte ja bereits ihren kleinen Hype als Label für Postrock-Wunderwelten. Und den Rahmen eines kleinen Hypes haben sich The Dylan Group und die Mice Parade ebenfalls redlich verdient. ANDREAS HARTMANN

Heute, ab 22 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

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