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Zurück ohne Zukunft

Der 28-jährige Halil Abazi will in das Kosovo zurückgehen. Das entspricht genau den Forderungen von Innensenator Werthebach. Doch Hilfeleistungen hat Abazi bisher nicht bekommen, obwohl er sich seit sechs Monaten darum bemühtvon JULIA NAUMANN

Über die Sprüche von Eckart Werthebach (CDU) kann Halil Abazi nur müde lächeln. Im Parlament hat der Innensenator kürzlich angekündigt, dass in Berlin lebende Kosovo-AlbanerInnen ab April zurückkehren müssen. In ihrer Heimat würden sie dringend für den Wiederaufbau gebraucht. Gehen sie nicht freiwillig, müssen sie mit Abschiebung rechnen.

Der 28-Jährige hat alles versucht, um eine sichere Rückkehr zu organisieren. Seit die Eingreiftruppe KFOR im Juni vergangenen Jahres in das Kosovo einmarschiert ist, will der Asylbewerber aus Berlin weggehen. Eine freiwillige Entscheidung war das nicht, doch er sieht keine andere Möglichkeit mehr: Abazi hat gegen seinen bereits abgelehnten Asylantrag Widerspruch eingelegt. Doch ob er damit Erfolg hat, ist zweifelhaft. Nach Ansicht der meisten Asylrichter ist das Kosovo jetzt ein befriedetes Gebiet.

Auch dass Abazi ursprünglich in Südserbien, in Presovo, gelebt hat, wo seit einigen Wochen wieder heftig zwischen Albanern und Serben gekämpft wird, scheint die Gerichte nicht zu interessieren. In einem Schreiben vom Verwaltungsgericht hieß es lapidar, er könne doch jetzt in das Kosovo gehen. „Ich rechne mir keine Chancen aus, das ich in Berlin einen dauerhaften Aufenthaltstatus bekomme“, begründet Halil Abazi in flüssigem Deutsch seine Entscheidung.

Der gelernte Automechaniker ist seit 1991 in Berlin. Der Kosovo-Albaner flüchtete, weil die jugoslawische Armee ihn während des Krieges mit Kroatien zum Wehrdienst einziehen wollte. „Ich habe Angst, dass die Serben mich kriegen, wenn ich wiederkomme.“ Dennoch hat er sich entschieden zu gehen, wenn es nur irgendwie möglich ist.

Abazi, der in einem Wohnheim in Hohenschönhausen lebt, versucht also das, was auch Innenminister Schily (SPD) und seine Amtskollegen vehement fordern: zurückzukehren. Doch von den Hilfeleistungen, die die Politiker nach dem Krieg vollmundig versprochen haben, hat er bisher nichts gesehen.

Und dabei hat er alles Mögliche getan: Abazi war im Büro der Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU), hat bei der Industrie-und Handeskammer nach Firmen gefragt, die im Kosovo investieren wollen, mit der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR in Berlin gesprochen. Für horrende Telefonkosten hat er sogar in Priština mehrmals bei Firmen angerufen. Vergeblich.

Die Antwort war immer die gleiche: „Wir freuen uns über Ihre Bemühungen. Wie können Ihnen aber leider nicht helfen.“ Eine Wohnung oder ein Arbeitsplatz sind also nicht in Sicht. Die Dörfer im Kosovo sind weitgehend zerstört, die Städte überfüllt: Vor dem Krieg lebten in Priština 250.000 Menschen. Jetzt sind es über eine halbe Million, die zum großen Teil aus Dörfern geflüchtet sind. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, es gibt kein funktionierendes Sozial-und Rechtssystem.

„Ich habe alles versucht“, sagt Halil Abazi. „Doch nichts hat geklappt.“ Er würde „jede Arbeit“ im Kosovo anehmen, die ein bisschen Perspektive verspricht. Geld für einen Neuanfang konnte Abazi nicht ansparen. Als Asylbewerber darf er nicht arbeiten und lebt so zwangsweise von Sozialhilfe. Berlin durfte er in all den Jahren nicht ein einziges Mal verlassen. Er muss im Flüchtlingsheim leben. „Ich fühle mich manchmal wie im Gefängnis.“

Abazi hat mittlerweile eine kleine Familie: Vor zwei Wochen hat seine Freundin einen Sohn, Yllzon, geboren. Adelina Krasniqi kam im vergangenen Jahr während der Bombardierungen als einer der 320 Kontingentflüchtlinge aus dem Kosovo. Ihre Eltern und Geschwister sind bereits nach Priština zurückgekehrt. Doch dort können sie nicht bleiben. Die fünfköpfige Familie lebt in einer Zweizimmerwohnung. Der Vater hat zwar wieder Arbeit, dennoch lebt die Familie sehr bescheiden.

Die Duldung von Adelina Krasniqi endet im Juni. Sie darf wegen des Babys etwas länger als die anderen Flüchtlinge bleiben, deren Duldungen im April auslaufen. Doch dann droht auch ihr die Abschiebung.

Zitat:HALIL ABAZI:„Ich habe vergeblich versucht, eine sichere Rückkehr zu organisieren.“

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