generation, da ist sie schon
von WIGLAF DROSTE
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Die Deutschen gründen Vereine, weil sie es mit sich alleine nicht aushalten. Ulkigerweise glauben sie, das würde besser, wenn mehr von ihnen auf einem Haufen sind. Zeitgemäß sagt man zu einem Verein aber nicht mehr Verein, sondern Generation. Die Generation hat Inflation, alle paar Tage wird eine neue ausgerufen. Generation ist das mediale Zauberwort: Generation Berlin, Generation Golf, egal. Wer klare Begrifflichkeiten scheut, zum Beispiel politische, greift zur Generation. Generation geht gerade sehr gut.

Auch an diesem Wochenende wird eine Generation ausgerufen, in der Evangelischen Akademie Tutzing, von Maxim Biller. Ist Maxim Biller eine Generation? Das wäre er zwar gern, beziehungsweise möchte er der Klassensprecher einer neuen superwichtigen Generation sein, aber er weiß, dass es dazu Leute braucht, die mitmachen. So hat Maxim Biller einen Brief geschrieben und durchs Land geschickt. Damit noch ein paar andere nach Tutzing kommen und dort mit ihm seine Generation sind.

„Jahrzehntelang“, schreibt Biller, „wurde die deutsche Literatur von der gleichen Gruppe von Schriftstellern dominiert. Heinrich Böll, Günter Grass und Wolfgang Koeppen, Ingeborg Bachmann, Peter Handke und Botho Strauß – ihre Gesichter, ihre Bücher, ihre politischen und poetologischen Maximen bestimmten das öffentliche Leben Deutschlands.“ Ist das wahr? Das Gesicht von Botho Strauß bestimmte das öffentliche Leben Deutschlands? War es so schlimm?

Biller will auch Maximen haben: „Was sie zu literarischen, aber auch zu gesellschaftlichen Themen zu sagen hatten, galt, es wurde ernst genommen oder zumindest ernsthaft diskutiert.“ Das möchte Maxim Biller dringend: etwas gelten. Ernst genommen werden, und das nicht nur von den Wackelpetern des Betriebs, sondern vom ganzen Land. „In anderen Worten: Die Gesellschaft streckte sich nach ihren Ideen und Bildern aus, nicht sie nach den Ideen und Bildern der Gesellschaft. Sie arbeiteten und dachten autonom. Sie waren die Herren ihrer Sätze.“

Günter Grass zum Beispiel war der Herr aufgeschwollener Sätze wie „Auf Weihnachten wünschte ich eine Ratte mir“, „Dem sei mein Nein vor die Schwelle gelegt“ und „Wir vom Archiv nannten ihn Fonty“. Möchte Biller so schreiben? Mit 40 ist das Pop-Ticket abgelaufen, nun schwenkt er um zur seriösen Nummer: Homme de lettre, Lenor-Gewissen der Nation, Tischlein deck dich, Gesellschaft streck dich. „Freiheit für die deutsche Literatur!“ verlangt er, und der Ruf nach Zusammenlegung jetzt folgt sogleich: In Tutzing sollen die „deutschen Schriftsteller der neuen Generation“ zusammenkommen, und „vielleicht wird ein Treffen, bei dem dies geschieht, auch dazu führen, dass diese neue Generation sich endlich ihrer als Generation bewusst wird“. Billers Tutzinger Generationsbewusstwerdungsreferat heißt „Die Schwierigkeiten beim Sagen der Wahrheit“. Denn Biller würde schon ganz gern mal die Wahrheit sagen, nur müsste zuvor gesichert sein, dass er dafür mit Liebe, Ruhm und Geld beworfen wird.

Maxim Biller fügt dem deutschen Vereinsleben eine weitere Generation Blasebalg hinzu. Feridun Zaimoglu und Joachim Besing helfen ihm dabei. Ich finde das schön.