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Gut unterrichtete Kreise

Der Verfassungsschutz der Hauptstadt wird aufgelöst. Oberster V-Mann ist künftig der Berliner Innensenator. Der wollte sich auch vor der Verbreitung unliebsamer Nachrichten schützen

von DIRK HEMPEL

Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz ist tot, es lebe der Verfassungsschutz. Aber nur unter direkter Kontrolle des Berliner Innensenators Eckart Werthebach (CDU). Knapp 18 Monate nachdem der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus dem Bonner Innenressort an die Spree wechselte, möchte er wieder an der Spitze eines Nachrichtendienstes stehen. Dieser soll künftig als Abteilung in die Berliner Innenverwaltung eingeliedert werden.

Der Berliner Verfassungschutz soll dann „strenger und straffer organisiert“ sein und „effektiver“ arbeiten können. In den letzten Jahren hatte das formal der Innenverwaltung unterstellte Landesamt vor allem durch Skandale auf sich aufmerksam gemacht: falsche Behauptungen, zurückgehaltene Informationen und verschwundene Akten. Hervorragende Vorlagen für die Oppositionsparteien im Berliner Abgeordnetenhaus, PDS und Grüne, die seit Jahren die Auflösung des Geheimdienstes fordern. Zuletzt hatte die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, dem Innensenator vorgeworfen, die Parlamentarier belogen zu haben.

Als Konsequenz daraus sollen die Schlapphüte nun nicht abgeschafft werden, sondern künftig nur noch an des Innensenators Leine zum Schnüffeln ausgeschickt werden. Das bisherige Landesamt für Verfassungsschutz wird aufgelöst. „Ein mutiger Schritt für einen CDU-Senator“, findet der Vorsitzende des Verfassungsschutz-Ausschusses, Andreas Gram, selbst ein Christdemokrat. Mutig vor allem, weil damit eine Forderung der Oppositionsparteien erfüllt werde. Und weil sich der ein oder andere Geheimdienstbeamte durch die angekündigte „umfassende personelle Erneuerung“ zurückgepfiffen fühlen könnte.

Genau das aber sollen sie auch. Ein Geheimdienst, sagt Gram, leistet nämlich „nur dann gute Arbeit, wenn man in der Öffentlichkeit gar nichts von ihm hört“. In der Hauptstadt sorgte das Amt hingegen für Schlagzeile um Schlagzeile. „Die positiven Ergebnisse der Verfassungsschutzarbeit wie die Ausforschung des rechtsextremen Lagers gehen völlig unter“, beklagt sich Gram.

Nicht aber die zahlreichen Skandale bedrücken den Innensenator, sondern dass die Presse immer wieder davon erfahren hatte – „aus gut unterrichteten Kreisen“, wie es in der Regel hieß. So fürchtete der einstige Verfassungsschutz-Chef offenbar, dass kleine Behördenmitarbeiter durch die Weitergabe von Informationen sein Senatorenschicksal in der Hand hätten. Mit der geplanten Umstrukturierung kündigte Werthebach auch eine Anzeige wegen Geheimnisverrats an. Interne Untersuchungen seien bereits eingeleitet.

Die Grünen-Abgeordnete Künast befürchtet, die Auflösung des Landesamts sei lediglich ein „Befreiungsschlag“ des Berliner Innensenators gewesen. Mit der Ankündigung Werthebachs sei der letzte bekannt gewordene Skandal, die Beobachtung der PDS durch einen früheren Mitarbeiter der Stasi, von der Tagesordnung verschwunden. Künast: „Werthebach stand das Wasser bis zum Hals.“ Mit seiner Erklärung habe der Senator eingestanden, dass die Grünen in der Vergangenheit mit ihrer Kritik Recht behalten hätten und der Verfassungsschutz „endlich ausgemistet werden muss“. Im Juni letzten Jahres hatte der Innensenator im Parlament versichert, das Landesamt beschäftige keine ehemaligen Stasi-Mitarbeiter mehr.

Auch der innenpolitische Sprecher der Hauptstadt-PDS, Stefan Zillich, ist weniger optimistisch: Abgesehen von der direkteren Zuständigkeit der Innenverwaltung werde sich wenig ändern. An die von Werthebach versprochene höhere Transparenz mag der PDS-Politiker nicht glauben. Der Verfassungsschutz werde lediglich für Innensenator Werthebach transparenter, nicht aber für die Öffentlichkeit. Der Verfassungsschutz, fordert Zillich, „muss nicht als Landesamt, sondern als Geheimdienst abgeschafft werden“. Die Neuerung sei in einigen Bereichen durchaus sensibel. Noch sei offen, ob der Verfassungsschutz als Abteilung der Innenverwaltung genauso der parlamentarischen Kontrolle unterliege. Weiteres Problem: Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdienst. Werthebach hatte angekündigt, durch die Eingliederung des Verfassungsschutzes in sein Haus würden sich „Synergieeffekte“ ergeben.

Diese Effekte scheint man auch beim Koalitionspartner SPD zu fürchten: Klaus-Uwe Benneter, der für die Sozialdemokraten im Verfassungsschutzausschuss sitzt, mahnt ebenfalls an, die Bereiche Polizei und Nachrichtendienst müssten strikt getrennt bleiben, damit sich nicht klammheimlich eine „neue geheime Staatspolizei“ entwickeln könne.

Nur die Berliner Innenverwaltung kann diese Befürchtungen nicht verstehen. Die Trennung beider Institutionen bleibe genauso gesichert wie die parlamentarische Kontrolle. Schwieriger, gesteht ein Sprecher der Innenverwaltung, wird die Kontrolle bei der nächsten Neuerung: In zwei bis drei Jahren wollen Werthebach und sein Brandenburger Amtskollege Jörg Schönbohm (CDU) einen gemeinsamen Verfassungsschutz ins Leben rufen.

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