: Halali auf die Umweltministerin
Frankreichs Jäger und ihre Freunde in allen Parteien treiben die grüne Umweltministerin Dominique Voynet in die Enge. Sie wollte mit einem Gesetz die Jagdbestimmungen verschärfen und anderen Naturnutzern zu mehr Rechten verhelfen
aus Paris DOROTHEA HAHN
Vielstimmiges, tiefes Brummen erhebt sich über dem Halbrund. In rotgeplüschten Sesseln reiben Männerhände über Männeroberschenkel. Am rechten Rand stöhnt es: „Wuuunderbar!“ Links grunzt es: „Très, très bien!“ Vorn holt einer Luft: „Mit der Jagd verhält es sich wie mit der Liebe“, raunt er ins Mikrofon, „man muss sie kennen, um darüber reden zu können.“
Jagdstimmung im Parlament. Abgeordnete vom rechten und linken Rand kreisen eine Frau ein, die es auf ihre Freiheit abgesehen hat. Eine „Ökofundamentalistin“. Eine, die „nichts vom Landleben“ versteht. Die es auf eine „Errungenschaft der französischen Revolution“ abgesehen hat und die Lieblingsbeschäftigung von 1,4 Millionen französischen Männern „sowjetisieren“ will. „Madame“, höhnt der rechte Abgeordnete Charles Amédée de Courson ihr entgegen, „Sie sind Ministerin der Republik. Nicht Ministerin der Jägerfeinde.“
Dominique Voynet sitzt ganz allein auf der Regierungsbank. Ihre Kabinettskollegen haben sie im Stich gelassen. Nicht einmal die kleine grüne Fraktion ist komplett angetreten, um sie zu unterstützen. Unter lautem Spott ihres Publikums stellt die Umweltministerin die Grundzüge eines französischen Jagdgesetzes vor. Es sieht eine Verkürzung der Jagdperiode auf Zugvögel vor. Es will die in 40 Départements praktizierte nächtliche Jagd beschränken. Es sieht den Mittwoch, an dem die französischen Kinder schulfrei haben, als jagdfreien Wochentag vor. Es gestattet Grundbesitzern erstmals, die Jagd auf ihrem Privatgelände zu verbieten. Und es schlägt eine Demokratisierung der mächtigen Jagdverbände in der französischen Provinz vor.
Zigtausende von Jägern sind in den vergangenen Monaten dagegen auf die Straße gegangen. Mit Jagdgewehren bewaffnete Männer tauchten auf, wenn Dominique Voynet im Land unterwegs war. Ein Jäger ohrfeigte sie auf offener Straße in ihrer Heimatstadt Dôle. Andere beschimpften sie auf Transparenten als „Schlampe“ und „Drogensüchtige“.
In Paris arbeitete unterdessen eine gemischt besetzte Parlamentskommission an einem Kompromiss. Das Ergebnis hat nur noch wenig mit den ursprünglichen Absichten zu tun. Selbst die Umweltministerin ist nicht mehr von dem Gesetz überzeugt. Im Parlament spricht sie am Dienstagabend von einem nötigen „Gleichgewicht zwischen Jägern und anderen Nutzern der Natur“ und warnt vor „Exzessen“ aller Seiten. Schon vor der für den 4. April geplanten Abstimmung nach der ersten Lesung im Parlament drohen Jägerverbände einerseits und Tierschützer andererseits mit Klagen vor dem französischen Staatsrat und vor dem Europäischen Gerichtshof.
Die Abgeordneten, die am Dienstag und Mittwoch dieser Woche im Palais Bourbon versammelt sind, haben über 400 Änderungsvorschläge zu dem Gesetzentwurf vorbereitet. Die weitestgehenden kommen von kommunistischen und konservativen Abgeordneten. Bloß die Jägerfreunde in der großen sozialistischen Fraktion halten sich mit direkten Änderungsvorschlägen zurück. Die meisten von ihnen demonstrieren ihre Opposition, indem sie gar nicht erst zu der Debatte erscheinen.
So hat die Jägerlobby das Halbrund des Palais Bourbon fest im Griff. Parlamentarier aller Parteien und Wahlkreise fürchten um ihre Basis. Nicht nur weil die eine Hälfte der französischen Jäger rechts und die andere links wählt. Sondern vor allem, weil ihnen allen das Gewehr näher sitzt als die politische Überzeugung. Das gute Ergebnis der Jägerliste „Chasse, Pêche et Nature“ bei den letzten Europawahlen, bei denen die populistische Organisation 1,2 Millionen Stimmen bekam, sitzt den Parlamentariern im Nacken.
Von den anderen „Nutzern der Natur“ spricht allein Dominique Voynet. Dabei ist es nur ein Drittel der Franzosen, das zum Halali in den französischen Wäldern und an den Küsten bläst, alljählich tausenden von Zugvögeln den Garaus und Herbstspaziergänge zu selbstmörderischen Abenteuern macht.
Im Halbrund des Palais Bourbon geht es um die Verteidigung eines „Grundrechtes“, um Freiheit und Männerromantik. „Nur wer je das Knacken eines Hirsches im Unterholz gehört hat, kann mitreden“, sagt einer ins Mikrofon. Die Männer auf den roten Plüschsitzen rechts und linken im Halbrund brummen anerkennend im Chor.
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