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Müder Anti-Atom-Protest

Auf ihrer Frühjahrskonferenz sucht die Anti-AKW-Bewegung Wege aus der Krise

BERLIN taz ■ Die Inszenierung auf den grünen Parteitag in Karlsruhe war gut geplant. AktivistInnen der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg sorgten für eine medienwirksame Showeinlage. Vier Nackedeis illustrierten mitten im Saal das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, das ein BI-Vertreter am Rednerpult zum Besten gab. Die Bilder liefen gut durch die Medien, weniger die Kritik an den Grünen. „So nackt, wie einige Aktivisten auf dem Rednerpodium standen, stand symbolhaft die Bewegung da“, gibt Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg zu, die Runde sei eindeutig an die Grünen gegangen. „Die Bewegung hat – teils aus Ignoranz, teils aus Arroganz gegenüber Parteienpolitik – das Feld für Protest sogar der Gegenseite, den Atomarbeitern überlassen.“ Die hatten schon zu Beginn des Parteitags die Delegierten wütend ausgepfiffen. Dabei war dieser Parteitag im Vorfeld mit hohen Erwartungen überfrachtet worden. Ganz optimistische Protestler prophezeiten schon, dass der Karlsruher Parteitag für die Anti-Atom-Bewegung die gleiche Bedeutung bekommen werde wie vergangenes Jahr der Sonderparteitag in Bielefeld für die Anti-Kriegs-Bewegung.

Nun ist bewegungsinterne Klärung angesagt. Schließlich trifft sich am Wochenende in Mülheim an der Ruhr die bundesweite Anti-AKW-Szene zu ihrer Frühjahrskonferenz. Schon in der Einladung wurde es deutlich ausgesprochen. Es steht nicht gut um die einst stärkste soziale Bewegung der alten Bundesrepublik. Pessimisten warnen gar vor einer „Abschaltung der Anti-AKW-Bewegung“.

Die Gründe sind vielfältig. Die allgemeine Bewegungsflaute trägt dazu ebenso bei wie die Ernüchterung nicht weniger Alt-AktivistInnen, dass selbst unter Rot-Grün der Ausstieg immer wieder vertagt wird. „Wenn es selbst ein Trittin nicht schafft, wer dann?“, ist häufig zu hören. Außerdem geht den in die Jahre gekommenen Anti-AKW-Kämpen der Nachwuchs aus.

Doch zunehmend schlägt sich die Bewegung auch mit hausgemachten Problemen rum. Selten können sich alle Teile der Bewegung auf eine Aktion einigen. Jüngstes Beispiel ist ein in der Bewegungszeitung Anti-Atom-Aktuell veröffentlichter offener Brief mehrerer Initiativen, die der BI Lüchow-Dannenberg vorwerfen, mit ihrer geplanten Aktion „Tag X – Stoppt die Atommüllflut“ tendenziell rassistische Metaphern zu verwenden.

Die Bundeskonferenzen der Bewegung haben zuletzt wegen inhaltlicher Beliebigkeit und fehlender Beschlüsse Frust ausgelöst. „Der harte Kern“ pflege „seine Grabenkämpfe“ und warte sehnsüchtig auf den nächsten Castor, heißt es im Kongress-Reader der Mülheimer Vorbereitungsgruppe. Sie will sich wieder auf Kernthemen konzentrieren – und auf neue Strategien jenseits der Anti-Castor-Fixierung.

PETER NOWAK

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