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Solidarische Funkstille

Der Zahlenschock hat gesessen: Die westlichen CDU-Länder wehren sich, die SPD-regierten haben noch keine einheitliche Linie gefunden. Sie halten sich lieber zurück, bevor sie was Falsches sagen

BERLIN rtr/taz ■ Es kam, wie Reinhard Höppner, SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, vorhergesagt hatte. Die Diskussionen um die Fortführung des 2004 auslaufenden Solidarpakts erweisen sich als „unbequem für beide Seiten“. So unbequem, dass der für den Aufbau Ost zuständige Kanzleramts-Staatsminister Rolf Schwanitz (SPD) einen Tag nach Vorstellung des Gutachtens zur wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland lieber schweigen und „die Zahlen nicht kommentieren“ wollte. Im Auftrag der ostdeutschen Länderchefs haben fünf Wirtschaftsforschungsinstitute einen Finanzbedarf von rund 500 Milliarden Mark für die Zeit nach dem Solidarpakt ausgerechnet.

Auch im Finanzministerium des größten Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen, herrschte Funkstille. Zumindest „Solidarität“ bekundete dagegen der Regierende Bürgermeister von Hamburg, Ortwin Runde (SPD). Die Ost-Länder könnten auf die West-Länder setzen. Allerdings müsse die Verwendung der Transferleistungen stärker kontrolliert werden.

Dabei hatten sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten zurückgehalten. „Wir haben nun Fakten auf den Tisch gelegt“, sagte Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe (SPD), „keinen Revolver.“ Auch Höppner gab sich Mühe, den Eindruck von Drohgebärden zu vermeiden. „Ich glaube, dass wir das, was wir bisher bekommen haben, noch weiter brauchen“, sagte er im Deutschlandfunk. Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber (CSU), wies jedoch auch potenzielle Forderungen vorsorglich als verfrüht zurück. Er bezweifle, dass die Höhe der benötigten Hilfen schon jetzt feststellbar sei, erklärte er im Südwestrundfunk. Ohnehin müsse vornehmlich der Bund in die Pflicht genommen werden: „Wer die Investitionen in Straße und Schiene kürzt, reduziert die wirtschaftlichen Chancen und muss dafür einstehen.“ Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) sagte, die Diskussion belaste die Gespräche zum Finanzausgleich.

Der Anfang für einen künftigen Solidarpakt sei gemacht, sagte der Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten, Günter Nooke. Allerdings halte er Beträge von bis zu einer halben Billion für „Totschlagszahlen“.

Das Gutachten der fünf Wirtschaftsinstitute soll nun dem Kanzleramt übermittelt werden, wo es mit den Zahlen des Bundes abgeglichen werden sollen. Für Ende Mai plant Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Treffen mit den Ost-Ministerpräsidenten. Anschließend sollen die Vertreter der Länder untereinander verhandeln und möglichst noch in diesem Jahr zu einem Abschluss kommen, damit 2001 das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden kann. Nach den bisherigen Vorstellungen könnte das Thema Solidarpakt Anfang 2002 vom Tisch sein – pünktlich zu Beginn des Bundestagswahlkampfes. bw

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