: Vorbild vom Sockel gestürzt
Die Frankfurt Skyliners gewinnen das Finale um den deutschen Basketball-Pokal gegen Alba Berlin mit 76:68, nachdem sie zuvor im Halbfinale praktisch sich selbst besiegt hatten
aus Frankfurt/Main BERND SEIB
Für Alexander Frisch war die Endrunde um den deutschen Basketball-Pokal am Wochenende etwas ganz Besonderes. Vor allem natürlich das gestrige Finale, in dem er mit den Frankfurt Skyliners die Sensation schaffte und seinem früheren Klub Alba Berlin, dem Cupverteidiger, deutschen Meister und haushohen Favoriten, eine heftige 76:68-Niederlage beibrachte. Hatten die Berliner bei Halbzeit noch geführt, gerieten sie nach der Pause zunehmend ins Hintertreffen, vermochten vor allem den Kroaten Kelecevic nicht mehr zu bremsen und trafen selbst kaum den Korb.
Etwas Besonderes war für Alexander Frisch aber auch schon das Halbfinale am Samstag, in dem sich beim 73:53 der Skyliners gegen den Zweitligisten SER Rhöndorf zwei alte Bekannte trafen, die immer noch ziemlich eng miteinander verstrickt sind. Noch vor einem knappen Jahr spielte Frisch in Rhöndorf, und von den Frankfurt Skyliners hatte er nie etwas gehört. Die gab es damals schlicht und einfach noch gar nicht. Im letzten Frühjahr beschloss jedoch die für die Geschäfte des TV Rhöndorf verantwortliche Agentur ASW, mit dem Produkt Spitzenbasketball endlich die große Mark anzupeilen. In eine Metropole sollte umgezogen werden.
„Basketball hatte in Rhöndorf finanziell keine Chance“, erklärt Klaus Beydemüller, im Amt des Pressesprechers derzeit noch bei beiden Klubs im Brot stehend. Seither spielen die Skyliners mit der Lizenz aus Rhöndorf für Frankfurt in der Bundesliga und übernahmen dabei gleich Alexander Frisch und Topscorer Gary Collier. Ein Kooperationsabkommen sichert den Frankfurtern zu, im Bedarfsfall auf weitere Rhöndorfer zurückgreifen zu können. Mittels der „Doppellizenz-Regelung“ schnupperten in dieser Saison bereits Duane Washington, Dirk Diepenseifen und Artur Kolodziejski Hochhausluft.
Im Leben des 26-jährigen Alexander Frisch hat sich einiges geändert seit dem letzten Jahr. Er hat angefangen zu studieren und war letzte Woche zum ersten Mal an so sozialisationsintensiven Orten wie Mensa und Bibliothek. Seit ein paar Wochen führt Frisch sogar Tagebuch. Im Internet – so was ist ja spätestens seit Rainald Goetz schwer in Mode. Das Finalturnier um den DBB-Pokal beschäftigt ihn schon seit ein paar Tagen, wie man dort nachlesen kann: „Dienstag, 28. März: Die Vorbereitung für das Final Four beginnt mit einer Krafttrainingseinheit. Die Stimmung ist natürlich gut, aber konzentriert. Abends arbeiten wir weiter hart und intensiv! Der Coach feilt an unserer Verteidigung, und man hat das Gefühl, wir rappeln uns nach den schlechten Wochen wieder auf.“
So ähnlich sah das auch der Coach selber. Stefan Koch hatte seinem Team in den Tagen zuvor immer wieder gebetsmühlenhaft gepredigt, den Halbfinalgegner doch bitte bloß nicht zu unterschätzen. „Das Schlimmste wäre gewesen, wenn meine Mannschaft die Rhöndorfer mit 70 Prozent Anstrengung hätte ausschalten wollen. Das wäre eine Katastrophe geworden“, war Koch nach dem letztlich sicheren Sieg erleichtert.
„Gegen das eigene Jugendkonzept“, wie Skyliners-Manager Gunnar Wöbke stets stolz betont, habe man gespielt. 27 Jugendteams unterhält Rhöndorf – die Skyliners haben kein einziges. Dem SER angegliedert ist das Privatgymnasium Hager Hof. Ein Basketball-Internat, wenn man so will. Gut 20 hoffnungsvolle Basketball-Teenager hat Trainer Berthold Bisselik dort zusammengezogen. Bis zu seinem Rhöndorf-Engagement war Bisselik Junioren-Bundestrainer und kennt die Nachwuchsszene wie kaum ein Zweiter.
Wie so oft, kommt auch diese gute Basketball-Idee mal wieder aus Berlin. Die Akademie, die Alba gerade in Zusammenarbeit mit dem Zweitligisten TuS Lichterfelde aufbaut, dient als Vorbild für das Rhöndorfer Modell. Für die über kompliziertes Vertragswerk angegliederten Skyliners nur ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem angestrebten Weg, dem Serienmeister demnächst einmal den Thron streitig zu machen. Während man sich bislang noch damit begnügt, Alba ab und zu ein bisschen zu ärgern, wachsen beim Kooperationspartner talentierte kleine Hochhäuser nach. So stellt sich das zumindest Gunnar Wöbke vor.
Und wie der Coup im Pokalfinale zeigte, sind die Visionen des Skyliners-Manager keineswegs aus der Luft gegriffen. „Für den Basketball-Standort Frankfurt war der Pokalsieg der Skyliners eminent wichtig“, zog der Präsident der Vereinigung der Basketball-Bundesliga, Wolfgang Kram ein zufriedenes Fazit der zweitägigen Veranstaltung.
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