: Ein steiniger Weg
Die Organisation „Mehr Demokratie“ kämpft auf allen Ebenen für Volksentscheide. Ihren ersten Erfolg feierte sie 1995 in Bayern
FREIBURG taz ■ „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen [...] ausgeübt.“ So heißt es im Grundgesetz. Die Befürworter von Volksentscheiden, wie die Münchener Organistaion „Mehr Demokratie“, haben noch nie verstanden, warum ausgerechnet diese Bestimmung Plebiszite auf Bundesebene ausschließen soll, schließlich ist hier ja ausdrücklich von „Abstimmungen“ die Rede. Nach bis heute vorherrschender Auffassung sind damit jedoch nur die im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Abstimmungen über die Neugliederung der Bundesländer gemeint.
Volksabstimmungen über Bundesgesetze sind daher erst nach einer Verfassungsänderung möglich, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich wäre. Im rot-grünen Koalitionsvertrag ist eine derartige Reform vorgesehen. Danach sollen auf Bundesebene „Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid“ eingeführt werden. Bei der Volksinitiative wird ein aus der Gesellschaft kommender Gesetzentwurf dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt. Mit dem Volksbegehren wird dann ein Volksentscheid eingeleitet.
Wichtigste Lobbyorganisation für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundes- und Landesebene ist der Verein „Mehr Demokratie“. Er will im kommenden Jahr eine bundesweite Kampagne starten. Ziel: die Änderung des Grundgesetzes zugunsten von Volksentscheiden. Erfolg hatte die Initiative mit einer ähnlichen Kampagne bereits auf Landesebene. In Bayern erreichte sie 1995, dass kommunale Volksentscheide deutlich erleichtert werden.
Möglich gemacht hat diese Reform der in Bayern schon lange mögliche Volksentscheid. Dagegen wurde ein Versuch, kommunale Plebiszite in Baden-Württemberg zu erleichtern, im März vom Stuttgarter Innenministerium gestoppt. „Mehr Demokratie“ will nun den baden-württembergischen Staatsgerichtshof anrufen.
Auch die Gerichte stellen sich oft gegen die Ausweitung von plebiszitären Elementen. Erst am Freitag stoppte das Bayerische Verfassungsgericht das „Mehr Demokratie“-Volksbegehren für eine Erleichterung von Plebisziten auf Landesebene. Es untergrabe die Grundlagen der repräsentativen Demokratie, wenn bereits fünf statt zehn Prozent der Wahlberechtigten einen Volksentscheid auf Landesebene erzwingen könnten.
CHRISTIAN RATH
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