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Keine Orientierung im hohen Norden

Mecklenburgs PDS wollte Grundschule um Orientierungsstufe ergänzen – SPD stoppt den Plan

Berlin taz ■ Der Kampf um die Schule in Mecklenburg-Vorpommern währte Monate. Die Regierungsparteien SPD und PDS stritten sich darum, ob sie eine sechsjährige Grundschule einführen sollen. Im Koalitionsvertrag war vereinbart, nach vier Jahren Grundschule eine zweijährige Orientierungsstufe anzuschließen. Doch die Sozialdemokraten blockierten die Reform. Bildungsminister Peter Kauffold (SPD) nannte die so genannte schulartenunabhängige Orientierungsstufe stets liebevoll eine „Orchidee“. Jetzt hat er das seltene Gewächs wenig blumig ausgerissen: „Pädagogische, demografische und flächenlandspezifische Anforderungen“, so Kauffold, sprechen gegen die Orientierungsstufe, die Grundschülern zwei Jahre mehr Lernzeit vor der Schulwahl gewähren soll.

Im aktuellen Schuljahr gab es 17,8 Prozent weniger Erstklässler als im Jahr davor; eine Folge der Abwanderung und des Geburtenrückgangs. Mehr als zwanzig Grundschulen mussten 1999 geschlossen werden. Die Wege für die Kinder werden damit länger.

Vor allem zweifelt die SPD am Sinn des sechsjährigen Einheitsunterrichts für alle. Minister Kauffold verweist darauf, dass auch die SPD im Nachbarland Niedersachsen gerade ihr Experiment der Orientierungsstufe für gescheitert erklärt habe. (Siehe unten)

Orchidee Orientierungsstufe darf nicht blühen

Wer aufs Gymnasium wechselt, entscheidet sich in Mecklenburg-Vorpommern also weiterhin nach der vierten Klasse. Die PDS-Einwände waren pädagogische: Schüler werden zu früh aus vertrauten Gemeinschaften gerissen und unter Leistungsstress sowie Auslesedruck gesetzt. Nun definierte PDS-Chef Helmut Holter die Niederlage flugs um. Zum neuen Kampagnenthema erklärte er zusammen mit dem SPD-Koalitionspartner die „Qualitätssicherung an den Schulen“.

Bereits im letzten September wurde ein gleich lautendes Landesprogramm im Kabinett beschlossen, doch erst jetzt propagiert man es offensiv – nach dem zermürbenden Grundschulstreit will sich die rot-rote Koalition wieder etwas konstruktiver geben. Bildungsminister Kauffold meint jedenfalls plötzlich: „In der Schulpolitik wird viel zu viel über Strukturen und zu wenig über Inhalte geredet.“

Was nun die aus der Betriebswirtschaft stammende Vokabel „Qualitätssicherung“ angeht, steht sie – etwas volkstümlicher ausgedrückt – für Lehrplanmodernisierungen. An Grundschulen sollen demnach Fremdsprachen obligatorisch unterrichtet werden, Computerkurse ebenso. „Philosophieren mit Kindern“ steht auf der Liste, und es ist angedacht, in Rahmenplänen nur noch für 70 Prozent der Zeit Vorgaben zu machen, den Rest sollen die Lehrer frei gestalten können.

Die CDU-Opposition unterstützt die Richtung, fordert aber eine „schnellere Gangart“ und vor allem eine „grundsätzliche Verständigung über die Rolle der Lehrer“. Udo Michallik, bildungspolitischer Referent, hält ihre Situation für bedenklich.

Grundschulpädagogen dürfen ab nächstem Schuljahr generell nur noch 19 Stunden Teilzeit arbeiten, Schulleiter 22. „Pauschal ohne Leistungsbewertung ist das hochgradig demotivierend“, so Michallik. Der Beruf werde so immer unattraktiver, die bedenkliche Überalterung der Lehrkräfte nehme weiter zu. Landesweit gibt es an den Grundschulen nur 132 Pädagogen unter 30 Jahren. Noch deutlicher wird das Problem beim Blick auf den Nachwuchs: Im letzten Jahr haben in Mecklenburg-Vorpommern ganze 13 Absolventen einen Lehramtsabschluss für Grundschulen erworben. MANUELA THIEME

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