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Schrägparkplätze für RadlerInnen

Was der Bezirk Mitte unter „Förderung des Fahrradverkehrs“ versteht  ■ Von Gernot Knödler

Die Förderung des Fahrradverkehrs kostet ein Heidengeld, das zeigt sich jetzt in Billstedt. Wie eine Anfrage der GAL-Fraktion im Ortsausschuss ergab, will der Bezirk Mitte in diesem Jahr 142.000 Mark ausgeben, um den Radverkehr in der Stengelestraße flüssiger und sicherer zu machen. Dachte auch Oliver Camp, der als Parteiloser für die GAL im Ortsausschuss sitzt. Doch als er nun nach den konkreten Plänen fragte, erhielt er eine unerwartete Antwort: Mit dem Geld sollen Parkplätze gebaut werden!

Die Stengelestraße zwischen Weddestraße und Washingtonallee ist schon heute eine Tempo-30- Zone, durch die allerdings ein Radweg führt. Dieser ist an vielen Stellen durch Wurzeln aufgeworfen worden und nur unter Schmerzen befahrbar. Deshalb soll er aufgehoben und durch schräge Parkplätze ersetzt werden. Bisher parken die Autos längs zur Fahrbahn.

Ergebnis der kostspieligen Rochade: Es passen mehr parkende Wagen in die Stengelestrasse, und RadfahrerInnen dürfen auf der Fahrbahn fahren. Effekt für die RadlerInnen: Null. „Es ist ein Skandal, dass Parkplätze aus dem Topf für den Radverkehr bezahlt werden“, findet Camp. Die SPD Mitte betreibe „Heuchelei“ und Etikettenschwindel. In den Augen Camps fügt sich das bruchlos in die Linie der Großen Koalition im Bezirk, die im ersten Punkt ihres Koalitionsvertrages festgeschrieben hat, es dürften keine Parkplätze abgebaut werden.

Marion Haß, die der SPD-Fraktion im Ortsausschuss vorsitzt, zeigt sich keiner Schuld bewusst. Sie könne zwar nichts Genaues zum konkreten Fall sagen, in ihrer Fraktion würden jedoch allgemein solche Ansätze diskutiert. „Sinn macht das für mich schon, dass man Tempo-30-Zonen angeht und eine Verlagerung der Radwege auf die Fahrbahn vorsieht“, sagt Haß, „und damit ist es auch eine Förderung des Radverkehrs.“ Ihrer Ansicht nach ist es vernünftig, beides auf einmal zu tun: die Autos schräg parken zu lassen und die RadlerInnen sicher zu führen. Dass der Radverkehr dadurch nicht gefördert würde, sieht sie „nicht so“.

Karl-Heinz Karch von der GAL-Bezirksfraktion Mitte findet, es gibt noch ein weiteres Problem: „Der eigentliche Hammer ist, dass das Hamburger Haushaltsrecht das offenbar hergibt“, sagt der Abgeordnete: “Wenn die Opposition nicht ganz genau aufpasst, kriegt sie nicht mit, dass ihr beim Thema „Fahrradverkehr“ ein X für ein U vorgemacht wird.“ Marion Haß räumt zwar ein, dass in dem Fall die Gelder nicht klar zugeordnet worden seien. Der Unterausschuß für Bauen und Verkehr habe das aber so zur Kenntnis genommen und zumindest für die SPD-Fraktion gelte: „Wir können das so tragen.“

Inzwischen hat sich allerdings sogar die Fahrradbeauftragte des Senats, Dagmar Meyer, in den Fall eingeschaltet. Das Bezirksamt Mitte will mit einer Auskunft warten, bis die offizielle Anfrage Meyers beantwortet ist.

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