UN-BERICHT FORDERT STAATLICHE ARMUTSBEKÄMPFUNG VOR ORT
: Schlechte Regierungen, armes Volk

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP, hat sich gestern deutlich geäußert: Es liege nicht am Geldmangel, wenn sich die ärmsten Länder nicht aus ihrer Misere befreien könnten. Schuld an der Armut seien die unfähigen Regierungen in diesen Staaten. Als Konsequenz fordert die UN, die Armut müsse mit speziellen Regierungsprogrammen vor Ort bekämpft werden. Diese Idee zielt in die richtige Richtung, doch ist sie in ihrer Schlichtheit naiv. Aus zwei Gründen.

Erstens: Die meisten Entwicklungstheoretiker sehen den Staat längst nicht mehr als Garant für Wohlfahrt. Gut ist, was privat ist – das gilt in armen Ländern wie Haiti oder Honduras für die Ausbildung genauso wie für die Krankenversicherung oder das Rentensystem. Pikanterweise haben viele Staaten die Privatisierungen und Sparprogramme nicht aus eigener Überzeugung durchgeführt, sondern weil es ihnen vorgegeben wurde – von den großen Währungsbehörden, von den ausländischen Geldgebern. Es überzeugt wenig, dass jetzt ebenso abrupt das Rad wieder in Richtung Staat zurückgedreht werden soll.

Zweitens: Es mangelt vielerorts an politischen Entscheidungsträgern, die Armutsbekämpfungsprogramme mit der nötigen Überzeugung angehen würden. In den späten 60er- und in den 70er-Jahren, als beispielsweise in Lateinamerika Landreformen und staatliche Alphabetisierungskampagnen durchgeführt wurden, waren die Gewerkschaften stärker und die Sozialisten noch links. Heute sind viele von ihnen marktwirtschaftlich „bekehrt“, überlassen die Umverteilung der Einkommen „dem Markt“ und die Altersversorgung der Börse.

Was die UNO nicht formuliert hat: Schlechte Regierungen werden so lange schlecht sein, wie sie aus einem kleinen Kreis vermögender und gebildeter Bürger gewählt werden, die jeweils nur ihre eigenen Interessen vertreten. Und solange dieser Kreis so klein bleibt, ändert sich auch an der Armut eines großen Teils der Bevölkerung wenig – hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

KATHARINA KOUFEN