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Experten: Saubere Umwelt soll Grundrecht werden

Europäische Grundrechte-Charta ist in Arbeit: Es geht um Umweltschutz, Datenschutz und Kultusfreiheit. Anhörung im Bundestag

BERLIN taz ■ „Der Erfolg der Europäischen Grundrechte-Charta hängt maßgeblich von deren Inhalt ab.“ Was Marc Fischbach, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, gestern vor dem Bundestagsausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union wie selbstverständlich formulierte, ist tatsächlich nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner.

Im vergangenen Juni hatte die Europäische Union auf ihrem Gipfel in Köln einen Konvent aus Parlamentariern und Regierungsvertretern damit beauftragt, bis Ende dieses Jahres eine Europäische Grundrechte-Charta auszuarbeiten.

Die gestrige Anhörung vor dem EU-Ausschuss zeigte jedoch vor allem eines: Ein Konsens über das, was das Dokument ausmacht, ist nicht einfach herzustellen. Alle gesellschaftlichen Vertreter setzten ihre eigenen Schwerpunkte.

So wollten die Vertreter der beiden Kirchen die Kultusfreiheit festgeschrieben sehen. Der Deutsche Naturschutzring unterstrich dagegen die Bedeutung des Umweltschutzes. Bürger sollten das Recht auf eine gesunde Umwelt einklagen können. Der Vertreter der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern hält einen Grundrechtekatalog ohne Datenschutz im Informationszeitalter für verfehlt.

Umstritten ist auch, wie verbindlich die einzelnen Grundrechte sein sollen. Die SPD will den Grundrechtsbegriff möglichst weit ausgelegt wissen. „Ein zu defensiver Charakter würde einen Rückschritt bedeuten“, betonte Konventsmitglied Jürgen Meyer. Eine Gefahr, die auch der Deutsche Richterbund sieht.

Doch Meyer weiß, auf welch unsicherem Terrain er sich bewegt. „Lange Zeit war der Gedanke einer Europäischen Grundrechts-Charta nicht konsensfähig“, erinnerte der SPD-Abgeordnete. Bereits 1995 hatte die SPD einen Vorstoß gewagt, aber keinen Erfolg damit gehabt. Erst nach dem Regierungswechsel konnte sie das Thema auf die Tagesordnung setzen.

Durch die deutsche Ratspräsidentschaft habe die Idee im letzten Frühjahr einen „Push“ erhalten. Unumstritten ist die Idee dennoch nicht – weder im eigenen Land noch bei den europäischen Partnern. CDU und CSU wollen soziale Grundrechte von politischen Menschenrechten trennen. Und auch einige EU-Mitgliedstaaten können mit dem Universalismus der deutschen Sozialdemokraten wenig anfangen. Bewußt habe die Bundesregierung daher auch auf den Begriff „Verfassung“ verzichtet. „Der geht Briten und Franzosen zu weit“, so Meyer. Immerhin, der SPD-Entwurf stellt die Grundlage für die Beratungen des Brüsseler Konvents dar.

NICOLE MASCHLER

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