: Regenschutz für Atommüll
■ Neuer Streit um atomare Zwischenlager an den norddeutschen HEW-Reaktoren
Das Problem, sagt Alexander Porschke, bestehe darin, dass Hamburg von Atomkraftwerken umzingelt ist: „Diese sind die eigentliche Gefahr“, meint Hamburgs grüner Umweltsenator. Damit reagierte er auf einen gestrigen Bericht der Bild-„Zeitung“, wonach die Hansestadt „von Atomlagern eingekesselt“ werden solle. Der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin plane, Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente an den AKWs Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel errichten zu lassen.
Das dementieren sogar die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die an allen drei AKWs beteiligt sind. Denn die HEW waren es höchstselbst, die im Dezember vorigen Jahres entsprechende Anträge beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter stellten (taz berichtete mehrfach). HEW-Sprecher Johannes Altmeppen hofft, dass die Zwischenlager „in drei bis fünf Jahren“ betriebsbereit sein können. BfS-Sprecherin Susanne Commerell dämpfte hingegen Erwartungen auf schnelle Genehmigungen: „Wir gehen von einer Verfahrensdauer von mehreren Jahren aus.“
Porschke hält solche Zwischenlager „als Übergangslösung“ für akzeptabel. Bis zur erhofften Stilllegung von Atommeilern, „lieber heute als morgen“, entsteht täglich neuer Atommüll. Dessen Wiederaufarbeitung im Ausland erfordert erstens weitere Castor-Transporte und erzeugt zudem den Bombenstoff Plutonium. Deshalb seien Zwischenlager bei den Reaktoren „das kleinere Übel“.
Lutz Jobs findet das „unfassbar“. Mit atomaren Zwischenlagern würde „der AKW-Dauerbetrieb organisiert“, kritisierte der Energieexperte der Regenbogen-Gruppe. Der Kieler Energieminister Claus Möller (SPD) sprach sich hingegen gestern gegen ein Zwischenlager zumindest am AKW Krümmel bei Geesthacht aus. Er begründete dies mit der „signifikanten Häufung“ von Leukämie-Erkrankungen in der Elbmarsch. Außerdem hält Möller die HEW-Pläne für „völlig überdimensioniert“. Seiner Ansicht nach würde „eins reichen“. Möller hatte bereits vor einem Jahr die Errichtung eines zentralen norddeutschen Zwischenlagers am Reaktor Brunsbüttel angeregt.
Die Lager würden darauf ausgelegt, so HEW-Sprecher Altmeppen, dass sie sämtliche Brennstäbe bis zum Ende der Betriebsdauer des jeweiligen Kraftwerks aufnehmen könnten. Die abgebrannten Brennelemente bleiben dort, bis ein zentrales deutsches Endlager zur Verfügung stehe. Greenpeace-Energieexperte Veit Bürger meint hingegen, Zwischenlager würden die Entsorgung von Atommüll nur vortäuschen. Zudem seien sie nicht sicher, sondern lediglich „große Betonhallen“, die „Regenschutz“ bieten würden. Sven-Michael Veit
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