: Heidi im Schauerland
Noch ein deutscher Splatter-Versuch: Michael Karens „Flashback – Mörderische Ferien“ lässt immerhin ein paar Fernsehsoap-Zombies auf der Alm verbluten
„Also, zuerst schleicht der Mörder im Norman-Bates-Outfit mit der Sichel ums Haus, und dann hackt er damit die Eltern in Stücke. Und zehn Jahre später kommt er zurück zu einer Berghütte, wo auch die Tochter ist, die ist natürlich total traumatisiert, und dann macht er dasselbe mit den doofen Freunden von ihr ...“
Früher, im Schullandheim oder beim Wandertag, hat man sich geschworen, später mal so einen Film zu drehen, auf eigene Faust. Die Welt würde ihn lieben. Irgendeiner müsste eben noch das Geld dazu verdienen, denn niemand konnte sich vorstellen, dass eine Produktionsfirma diesen Schwachsinn finanziert.
Früher. Heute sind wir einen Horror-Hype klüger, und das Abschlachten von Teenies hält sich hartnäckig in Mode. Das Schöne an „Flashback“ ist, dass dieser Film wirklich den kranken Hirnen der Zielgruppe entsprungen zu sein scheint. Und hier hat sich, im Gegensatz zum kalkulierten Kassenschlager „Anatomie“, niemand bemüht, irgendetwas richtig zu machen. Beste Voraussetzungen für feinen B-Thrash, dem man das Camp-Siegel allerdings verweigern muss: Gelegentlich können die miserablen Darsteller das eigene Lachen kaum verbergen. „Horrorfilme sind doch jetzt total in“, giggelt da einer. Selbstreferenz für Einsteiger.
Als Jeannette, das Mädchen mit dem Trauma, in der Abgeschiedenheit der Alpen ankommt, grinst ein weiser Steinbock ins Bild, und der Taxler verkündet unheilvoll: „Hier liegt der Hund begraben.“ Alles, was alsbald die Idylle zu einer trügerischen macht, packt die prüde Haushälterin (Elke Sommer!) in die Phrase aller Phrasen: „Glaub mir, mein Kind, es lebt sich besser, wenn man nicht alles weiß.“ So spinnt sich „Flashback“ seine eigene Welt zusammen, bis nichts mehr real, alles nur noch Genre ist. Heidi im Schauerland, der Watzmann kann kommen.
Den Hyperlink zum Publikum bekommt der Film nur über krasse Ungereimtheiten. Dass sich die durchtriebene Gastfamilie so urban geriert, mag noch angehen. Aber wie die zahlreichen blutjungen und in angesagteste Clubwear gewandeten Partygäste in diese Einöde kommen, bleibt rätselhaft. Hauptsache, der Slasher hat genug Arbeit. Die eine wird im Mähdrescher gehäckselt, der andere verrottet tagelang mit der Sichel im Kopf auf dem Autositz. Elke Sommer erwischt’s im Skilift, in der Talstation, damit sie auf dem Weg nach oben genug Zeit zum Sterben hat.
Auch wenn hier vom Regisseur bis zu den kleinsten Rollen die Fernsehmafia von „Cobra 11“ und „GZSZ“ ihr Unwesen trieb: Ein sendefähiges TV-Movie ist daraus nicht geworden. Vielmehr haben hier alle Fernsehhasser die erste – und vielleicht letzte – Gelegenheit, die Soap-Zombies endlich bluten zu sehen. PHILIPP BÜHLER
„Flashback“. Regie: Michael Karen. Mit Valerie Niehaus, Xaver Hutter, Elke Sommer u.a. Deutschland 1999, 95 Min.
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