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: Ölig im Abgang

„Die Tricks der Weinkritiker“ (Do., 22.15 Uhr, SWR)

Weinempfehlungen haben Konjunktur, in den Fachblättern wird heftig gepunktet. Siegerweine werden gekürt, Winzer wie Leichtathleten in Ranglisten geführt, ihre Kollektionen ab- und aufgewertet. Und irgendwie hat der gemeine Weinfreund zwischen „rauchigem Honigabgang“ und „differenziert öligem Körper“ schon immer den Duft von Korruption und Gefälligkeitsjournalismus gewittert.

Und die wunderbar böse SWR-Doku hat die Mischpoke aufgemischt und schier Unglaubliches aufgedeckt. August F. Winkler, einer der viel beschäftigten Autoren, der das Fachblatt Alles über Wein oder die Fressbeilage der Welt vollschreibt, zieht in einem Brief an den österreichischen Weinmulti Lenz Moser eine Schleimspur und offeriert mit elegant-öliger Duftnote seine Dienste: Name-Dropping, Einbau von Moser-Weinen in diverse Artikel . . . Mit donnernden Abgang fordert er dafür „einen Pauschalpreis von 7.000 Mark“.

Auch die Herausgeber des Gault Millau Weinführers, Joel Payne und Armin Diel, verquicken journalistische Unabhängigkeit mit Geschäftsinteressen zu einem brandig-überreifen Schoppen, den in Antrunk, Mittelbau und Abgang das zarte Aroma von Geldscheinen durchzieht. Payne ist zugleich Einkäufer und Marketingchef beim Weinriesen Schlumberger. Im dessen Katalog wirbt er für seine Tropfen mit den eigenen Benotungen. Kollege Diel ist Winzer an der Nahe und lässt seine Weine von Kumpel Payne bewerten. Alle Proben werden nicht wie üblich im Blindtest gemacht, sondern ganz offen. Flaschen, die übrig bleiben, werden von Diel schon mal ungeniert verkauft.

Man lupft den Stein und sieht das Gewimmel. Und der Würgreiz kommt. Ein großartig desillusionierender Beitrag, der klar macht, worauf es beim Wein ankommt: aufs eigene Urteil und die Lust am Probieren. Wein begreift man nicht mit Punkten korrupter Vorschlürfer, sondern mit der eigenen Zunge. MANFRED KRIENER