: Die wunderbarste Sache der Welt
■ In einer Woche entscheidet der Senat über die Höhe der Kulturförderung. Hinter den Kulissen wird aber noch heftig verhandelt. Dabei herrscht ein Riesen-Chaos in der Verwaltung, sagt die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz
„Der Kampf ums Geld“, sagt der designierte Berliner Kultursenator Christoph Stölzl, „ist die wunderbarste Sache der Welt.“ Nach diesem Politikverständnis müsste Bremen neben oder nach Berlin ein ziemlich lebenswertes Städtchen sein. Denn es wird – nicht nur, aber vor allem – im Bereich Kultur ganz wunderbar ums Geld gekämpft. In einer Woche entscheidet der Senat voraussichtlich über den Etat im Kulturbereich. Und in den Tagen davor ist kaum Zeit für Osterferien, weil die Beteiligten ihren Kampf auf dem Papier und in den Formulierungen der Senatsvorlage austragen. Mal steht die Zahl 133 Millionen Mark drin, mal fliegt sie wieder raus. Mal wird der um zehn Millionen Mark zu niedrige Kulturetat deutlich erhöht, mal nicht. Und dem Vernehmen nach ist noch nicht klar, worüber der Senat in der nächsten Woche abstimmt.
Der „wunderbare Kampf“ ums Kulturgeld hat zum Teil groteske Züge. Denn gemessen am Bremer Gesamtetat von über 7,5 Milliarden Mark geht es um eine relativ geringe Summe. Entscheidender ist das so genannte Prinzip und der Streit darum.
Da ist der Finanzsenator mit seinem Plan, die konsumtiven Ausgaben bis zum Jahr 2004 um über 800 Millionen Mark pro Jahr zu kürzen. Zu diesen Ausgaben gehört formell auch die Kulturförderung. Der Senat und mit ihm auch Kultursenator Bernt Schulte (CDU) hat diesem Plan schon im Oktober letzten Jahres zugestimmt. Trotzdem steht Schulte irgendwie auf der anderen Seite. Das Loch im Kulturetat ist mit zehn Millionen Mark für ihn persönlich immerhin groß genug, als Kahlschlag-Senator in die Geschichte einzugehen, wenn es nicht geschlossen wird. Inzwischen hat sich diese Einsicht auch außerhalb der kleinen Schar von KulturpolitikerInnen durchgesetzt. Dennoch wollen die Kollegen Finanzpolitiker möglichst viel von ihren alten Plänen in die neue Senatsvorlage hinüberretten. Sie fordern Opfer, sagen Insider. Mit anderen Worten: Sie bestehen auf genauen Angaben darüber, wie Schulte in den nächsten Jahren mit seinem Geld auskommen kann. Doch für diese Angaben muss er erstmal das Material heranschaffen. Und genau da liegt zurzeit das für die Kulturszene gefährlichste Problem.
„Ich will nicht, dass die Kulturschaffenden die Leidtragenden werden“, sagt die Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz (SPD). Sie spricht von einem Chaos in der Kulturverwaltung und hat nach eigenen Angaben intern mehrfach darauf hingewiesen, endlich Ordnung in den Laden zu bringen. Jetzt fordert sie auch öffentlich: „Schulte muss seine Hausaufgaben machen.“
In der Tat hat der Kultursenator seine wohl schwerste Aufgabe im eigenen Haus, also seiner Verwaltung, zu lösen. Während Schultes Staatsrätin Elisabeth Motschmann an die Kulturszene appelliert, mit der Kulturcontrolling-Gesellschaft kmb zusammenzuarbeiten (vgl. taz vom 8. April), hält sich nicht mal die eigene Verwaltung daran. „Zu einem Workshop der kmb und der Museen sind Mitarbeiter der Kulturabteilung gar nicht erst erschienen“, berichtet Carmen Emigholz. Die Einrichtungen müssten ihre Zahlen doppelt abliefern: an die Kulturverwaltung und an die kmb. Der Grund: Trotz anderslautender Dienstanweisung verweigern einzelne ReferentInnen in der Verwaltung die Zusammenarbeit mit der kmb. Statt einer schlankeren Verwaltung würden nun die Strukturen verdoppelt, kritisiert Carmen Emigholz. Sowohl in der kmb als auch in der Kulturabteilung gäbe es nun Unterabteilungen für Controlling und für Planung. Sie verschweigt allerdings, dass der seit knapp einem Jahr amtierende CDU-Senator diese neuen Strukturen von seiner SPD-Vorgängerin Bringfriede Kahrs geerbt hat. Und kaum etwas ist zäher und langwieriger als eine Verwaltungsreform gegen den Willen der meisten MitarbeiterInnen und bei gleichzeitigem Kompetenzgerangel.
Möglichkeiten zur Sabotage gibt es viele. So haben die Groß-Koalitionäre mit der kmb zwar eine Controlling-Gesellschaft gegründet, die der Bremer Politik fortan Szenarien und Gutachten liefern soll. Doch an die rechtlichen Folgen dieser GmbH-Gründung haben sie offenbar zu spät gedacht. Beim Bremer Theater zum Beispiel ist eine Zusammenarbeit mit der kmb nicht durch den Gesellschaftervertrag gedeckt, weiß Intendant Klaus Pierwoß. Auch bei den neu gegründeten Eigenbetrieben wie Volkshochschule, Stadtbibliothek oder Musikschule gibt es dafür keine Grundlagen. Einstweilen behelfen sich die Eigenbetriebsausschüsse damit, dass sie kmb-VertreterInnen nur beim Tagesordnungspunkt Finanzen teilnehmen lassen und sie gleich danach vor die Tür bitten.
Wenn also selbst aus der Kulturabteilung Empfehlungen kommen, nicht mit der kmb zusammenzuarbeiten, gibt es dafür sogar formelle Begründungen. Andererseits hat die kmb und ihr Geschäftsführer Volker Heller bei PolitikerInnen und insbesondere bei Nicht-KulturpolitikerInnen einen guten Ruf. Auf informellem Weg weicht der kmb-Boykott, zu dem die Kulturinitiative Anstoß und der Kulturrat aufgerufen haben, inzwischen auf. Es könnte sein, so das Kalkül, dass diese Zahlen im „wunderbaren Kampf ums Geld“ noch wichtig werden.
Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann hofft unterdessen, noch in diesem Jahr Ordnung in diese geerbten Verwaltungsverhältnisse zu bringen. Sie träumt sogar davon, endlich über Kulturentwicklung zu reden. Doch zuvor wird sie eine Senatsvorlage noch ein Dutzend Mal umschreiben müssen.
Christoph Köster
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