Der Himmel über der Küste

Neue Abenteuer im marokkanischen Underground: DJ U-CEF plant die digitale Revolution des Maghreb

Die Musik des äußersten Maghreb hat westliche Liebhaber schon immer fasziniert. Einer der ersten Fans war der Schriftsteller und Komponist Paul Bowles. Mit einem Forschungsstipendium ausgestattet, spürte er schon in den 50ern den Klängen der Region nach. Dem Pionier folgten Rockstars wie der Rolling-Stones-Gitarrist Brian Jones, der 1968 am Fuße des Rif-Gebirges die Berber-Musiker der „Masters of Jujuka“ traf und deren hypnotische Rhythmen, mit psychedelischen Sound-Effekten versetzt, auf Platte pressen ließ. Es war lange Zeit die einzige Aufnahme marokkanischer Musik, die im Westen zu kaufen war, und die ideale Begleitmusik für Haschorgien.

Heute ist die Auswahl im Plattenladen größer, dafür aber umso verwirrender. Da gibt es den Gnawa-Musiker Hassan Hakmoun, der heute in New York lebt und den Sound marokkanischer Sufi-Bruderschaften in einen weltlichen Kontext übersetzt. Da gibt es in der Schweiz das Barbarity-Label, das am laufenden Meter marokkanische Bands wie Aisha Kandisha publiziert, deren Bänder zuvor, auf der anderen Seite des Atlantiks, vom New Yorker Remix-Guru Bill Laswell abgemischt und von Techno-Grafikern mit grellbunter Cover-Art versehen werden. Und da gibt es einen wie den Londoner DJ Youssef Adel, der sich U-CEF nennt und von sich sagt: „Ich arbeite sehr isoliert, sehr autark. Es ist nicht so ein HipHop-Ding, wo man in einer Szene aufgeht.“

Von einer kohärenten Szene kann keine Rede sein. Zwar spielte U-CEF, als er kurzzeitig in New York lebte, in einer Band mit Hassan Hakmoun. Aber über die Barbarity-Veröffentlichungen aus Basel sagt er: „Ich liebe Aisha Kandisha. Aber was da zusammengemischt wird, wird den Vorlagen nicht immer gerecht.“

Eine andere Art, Tradition und Technik in Einklang zu bringen, demonstriert U-CEF auf seinem Debüt-Album „Halalium“ – der Titel ist ein Wortspiel mit dem muslimischen Terminus „Halal“, was dem jüdischen „koscher“ entspricht. U-CEF hat den Straßenlärm der Kasbah, die Gesänge der Gnawa-Orden und der Berberstämme, die er auf Reisen aufgenommen hat, in seiner Londoner Garage mit HipHop- und Ragga-Beats verschweißt und mit Samples und Loops verlötet. Beeinflusst zeigte er sich dabei vom Himmel über der Küste von Bristol, wo Bands wie Portishead und Massive Attack den Ruf der Hafenstadt geprägt haben, aber auch von den DJs des „Asian Underground“, welche die indische Musik ihrer Eltern mit britischen Club-Sounds verschmelzen.

Die französische Tageszeitung Libération nannte U-CEF deswegen den „Talvin Singh des Maghreb“, nach dem Londoner Tabla-DJ. „In Frankreich schenkt man mir mehr Beachtung als in England“, weiß U-CEF, „aber das liegt natürlich an der Natur der Einwanderung dort.“ Rückwirkungen wünscht er sich aber vor allem auf die Musikszene Marokkos. „Ich hoffe, ich sorge dort für etwas Aufruhr und inspiriere die Leute dazu, sich auf einer breiteren Ebene zu betätigen.“

12. 4. Frankfurt, 13. 4. Berlin (Oxymoron), 14. 4. Köln (Stadtgarten)