die stimme der kritik
: Betr.: Shakespeare im 21. Jahrhundert

ZLATKO UND JÜRGEN – EIN LIEBESPAAR, UNSTERNBEDROHT

Gestern Abend betrat Zlatko die Bühne des Harald-Schmidt-Theaters (Sat.1) . Es wurde gegeben – wie jeden Abend: Late Nite!

Zlatko (kratzt sich am Sack):

Two households, both alike in dignity,

in fair Verona (where we lay our scene).

Ach, Zlatko. Schön. Aber natürlich stimmt es nicht. Nicht ganz. Es war zunächst so: Am Abend zuvor lief Zlatko bei Stefan Raab (Pro 7) ein. Da bekam er ein Reclamheftchen geschenkt. „Romeo und Julia“. Raab hatte ihm sogar eigens „ein Autogramm von Shakespeare“ besorgt. Großes Ablachen.

Zlatko (24) ist nach seinem Ausscheiden bei „Big Brother“ (RTL 2) auf Talkshow-Tour. Wie jeder weiß, kennt Zlatko den Shakespeare nicht. Das ist lustig und Zlatko damit eine geradezu shakespeareesk-tölpelhaft komische Gestalt. Aber, hey, sind wir Irdische nicht alle Zlatko? Wir, die Anfangsdreißigerin, die sich im „Midsummer Night’s Dream“ total langweilte und künftig lieber zum neuen Inder geht? Wir, der Mittzwanziger, der zum Zwecke des gemeinen Aufreißens aus „Romeo und Julia“ zitieren kann. Das Zitat stammt aus einem Mickey-Mouse-Heft. Mit Goofy als Romeo und Klarabella als Julia.

Wir Irdischen, so sieht das aus, haben Shakespeare verdrängt. Zugunsten von Dosenbier. Theater? Real-Life-Soap. Große Liebestragödien in und um Verona? Feldbusch. Überirdisch große Konflikte in kleiner menschlicher Brust? Besser unterirdisch kleine Konflikte in übergroßer menschlicher Brust!

Ist Shakespeare also wirklich tot? Oder ist Zlatko in Wahrheit der jüngste Beweis für seine Unverzichtbarkeit? Zlatko und sein geliebter Jürgen sind ja nun zweifelsfrei getrennt durch ein so „jämmerliches Los“ – wie es jämmerlicher allenfalls noch die Fußballnationalmannchaft ereilt hat. Sie sind „a pair of star-crossed lovers“, wie man sie reiner, romantischer und gleichzeitig tragischer selten gefunden hat. Es braucht also einen Giganten, um dafür Worte zu finden. Es braucht den unsterblichen William Shakespeare. Shakespeare lebt. Und wer hat ihn beatmet? Danke, Zlatko.

For never was a story of more woe

than this of Jurgen and his Zlatko. (Exeunt omnes)

PETER UNFRIED