piwik no script img

Open Source im Anmarsch

Linux-Tage in Berlin: Information, Sponsoren auf Nachwuchssuche und immer noch recht intime Party. Linux istauf dem Weg zur Windows-Konkurrenz für private User. Ein paar staatliche Stellen empfehlen es schon für Behörden

von VERENA DAUERER

Am vergangenen Wochenende fanden die Berliner Linux-Infotage 2000 statt. Und als hätten es die Veranstalter, die Berliner Linux User Group (BeLUG), der Internet-Provider IN-Berlin und der Akademische Verein Hütte, zur Bestätigung ihres offenen Betriebssystems Linux vorausgeahnt: Das Wall Street Journal berichtete am Montag, dass die US-Regierung Microsoft zur Freigabe des Programmcodes seines Internet Explorers zwingen möchte. Damit wäre der Explorer ein weiteres Open-Source-Programm im Netz – wenn es denn dazu kommen sollte.

Den Quellcode offen zu legen ist sonst nicht die Spezialität von Microsoft. Pech für sie, dass Windows irgendwann von Linux überrollt werden wird, einem Betriebssystem, das allein durch die Perfektionierung durch Open Source existiert. Auch von staatlicher Seite wird in Deutschland seit kurzem für Open Source geworben: Die Koordinierungs- und Beratungsstelle für Informationstechnik empfiehlt in ihrem Rundbrief an die Bundesverwaltung Linux als System. Ähnlich spricht sich das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik für offene Software in allen sicherheitsrelevanten Bereichen aus.

Entstanden ist Linux aus dem GNU-Betriebssystem des ehemaligen MIT-Entwicklers Richard Stallman. Er entwickelte seit 1984 Teile des offenen Systems auf Unix-Rechnern und schrieb dazu das ‚GNU-Manifest‘, das freien Zugang zu jeder Software forderte. Nur der Kernel, der Systemkern, fehlte dem GNU. Den programmierte der Finne Linus Thorvalds 1991 und nannte ihn Linux. Die GNU-Systemumgebung wurde mit dem Linux-Kern zusammengeführt, und man bezeichnete von da an das ganze System mit diesem Namen. Seitdem optimieren es Programmierer in der Netzgemeinschaft ständig weiter.

Linux kann natürlich alles, womit sich Windows schwer tut, und noch viel mehr. Es wird neben seiner Stabilität wegen seiner Netzwerkqualitäten unter Unix geschätzt, es ist multi-user-fähig, und seine Stärke liegt im Multitasking. Linux ist plattformunabhängig. Außerdem hat es ein gemütliches Maskottchen, den übergewichtigen Pinguin Tux. Es steht als frei erhältliche Software im Netz, zu kaufen gibt es auch mehr oder weniger abgespeckte Installationshilfen mit Systemvarianten, den Distributionen.

Mit einer benutzerfreundlichen Oberfläche kann Linux aber noch nicht bei allen seinen Programmen dienen. Und die Eingabe über die Kommandozeile, die Shell, macht das System nicht für jeden Heimanwender attraktiv. Software gibt es zwar reichlich, sie ist nur nicht unbedingt mit Windows-Programmen kompatibel. Gründe, die es Linux zu Hause erschweren.

Bob Young, Chef der Distributionsfirma Red Hat, sagte zur Zeitschrift c’t: „Linux auf dem Desktop steckt noch in den Kinderschuhen.“ Und genau da muss es jede Software mit dem Office-Paket von Windows aufnehmen, um sich weltweit durchsetzen zu können. Obwohl Linux bei Servern beliebt ist, laufen nur 4 Prozent aller Rechner darunter, wie der Internetberater Netcraft festgestellt hat. Immerhin haben einige große Firmen wie zuletzt Ikea und der Autovermieter Sixt ihr System darauf umgestellt, und auch die taz hat sich damit ihr eigenes Redaktionssystem zurechtgebastelt.

Von den Anlaufschwierigkeiten ließen sich die Teilnehmer der Linux-Infotage 2000 in Berlin nicht entmutigen. Als kleine, eingeschworene Gruppe von Nerds sind die Hacker, Entwickler, Systemadministratoren, Informatiker und Informatikstudenten nur leider fast ganz unter sich geblieben. Die Tage existieren in dieser Form zum zweiten Mal, befinden sich also noch in der Aufbauphase. Sie sind aus den Linux-Partys hervorgegangen, die seit ungefähr 1992 veranstaltet wurden. Damals waren noch keine Distributionen für Linux auf dem Markt, und deshalb war die Installationsprozedur ein beschwerliches, langwieriges Unterfangen.

Die Linux-Fans trafen sich zum gegenseitigen Helfen und begingen den Anlass wie eine Party. Bei den Infotagen sollte nun das System neben den Usern auch mehr Firmen zugänglich gemacht werden. Zu bieten hatten sie am vergangenen Wochenende einiges: Es gab Konferenzen über die Möglichkeiten von Linux im Internet und wie sich darunter CDs brennen lassen, und natürlich Einführungskurse, die sonst zweiwöchentlich in Berlin gehalten werden. Vorträge befassten sich entweder mit Praktischem wie Linux und ISDN oder Linux auf Laptops oder mit übergreifenden Themen wie Open Source für den kommerziellen Gebrauch und stellten neue Programme wie die Mailsoftware qmail vor.

Daneben warben die Sponsoren der Tage an ihren Ständen um studentische Nachwuchskräfte. Das waren zum größten Teil Agenturen wie LunetIX oder Infopark, die Vernetzungen unter Linux realisieren. Ein Buchhändler nebenan verkaufte die neuesten Handbücher.

Außer dem Rahmenprogramm waren die Hauptattraktion immer noch die Linux-Fans selbst. Die brachten ihre Kisten mit und zeigten, was sie alles draufhatten, kamen zum Tauschen von Software, testeten Distributionen oder wollten Hilfe für ihre Softwareprobleme. Wobei das Klischee eines Nerds wieder breit getreten werden muss: Der typische Computerfreak ist hilfsbereit und ein sonst eher scheuer und zurückhaltender Mensch, manchmal ein wenig angestaubt wie sein Computer und in der Regel Mann. Frauen waren vereinzelt anwesend, die meisten allerdings hinter der Verpflegungstheke, wo sie Kaffee ausschenkten, das Informatikergetränk Nummer eins. Der Programmierernachwuchs stand auch schon in den Startlöchern; bei der Einführung tummelten sich die Kids, die ihre Skateboards mitgebracht hatten, neben interessierten Hausfrauen.

Berliner Linux User Group: www.belug.de , Liste der 140 deutschen Linux-Gruppen: www.linux-magazin.de/Usergroups

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen