: Tauziehen um Bremens Zukunft
■ Handelskammern von Bremen und Hamburg fordern bessere Finanzausstattung / Bremer Staatsräte verhandeln vertraulich die Kürzungsquoten für 2002 bis 2005
Im Vorfeld der Finanzministerkonferenz Anfang Mai haben nun auch die Handelskammern von Bremen und Hamburg sich in einer gemeinsamen Erklärung für die Stärkung der Finanzkraft der Stadtstaaten ausgesprochen. Die gesamte deutsche Finanzverfassung müsse geändert werden, um die wirtschaftliche Leistungskraft bei der Verteilung der Steuereinnahmen deutlicher zu berücksichtigen, erklärten die Kammern.
In diesem Grundsatz stimmen die Handelskammern mit den Süd-Ländern überein. Die – im Vergleich mit Flächen-Staaten – wirtschaftlich leistungsstarken Großstädte Bremen und Hamburg haben allerdings nicht das Bündnis mit den „leistungsstarken“ Geber-Ländern gesucht, sondern das mit den Nehmer-Flächenländern. Und das erfordert Rücksichtnahmen, die für die Kammern nicht zwingend sind: Während Bremen in der Verhandlungsstrategie mit den Bundesländern die Steuerzerlegung (zwischen Wohnort und Arbeitsort) nicht infrage stellt (s. taz 12.4.), fordern die beiden Kammern die Korrektur dieses Verteil-Systems. Während Brandenburgs Finanzministerin Wilma Simon (SPD) ausdrücklich lobend hervorhebt, dass nach der gemeinsam auch von Bremen vertretenen Position der Verteilungsmodus für die Umsatzsteuer nicht geändert werden soll, wollen die Handelskammern die Verteilung der Umsatzsteuer nach dem Kriterium der Wirtschaftskraft korrigieren – das würde vor allem die Stadtstaaten besser stellen auf Kosten der armen Flächenländer.
Es geht bei dem Streit um die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuordnung des Länderfinanzausgleiches für die Zeit nach dem Jahre 2005. Um die Frage, wie Bremen bis dahin die jährlichen Ausgaben an die Einnahmen anpassen kann, geht es derzeit in der „Staatsräte-Lenkungsgruppe Haushaltssanierung“. Grundsätzlich soll das Ausgaben-Volumen des Bremer Etats bis 2005 nicht ansteigen, da aber wichtige Positionen wie Personalkosten und auch gesetzliche Aufgaben kontinuierlich steigen, müssen dafür andere Ausgaben-Bereiche ebenso kontinuierlich Jahr für Jahr gekürzt werden. Der Finanzsenator hat in einem dicken Papier ein Rechenwerk vorgelegt, welche Kürzungsquoten in den Jahren 2002 bis 2005 erreicht werden müssen, soll die ganze Rechnung unter dem Strich aufgehen. Das Papier ist streng vertraulich, aus dem Innenressort ist zum Beispiel offiziell nur zu erfahren, dass erstens das Ressort keineswegs zugestimmt hat und dass zweitens darüber zur Zeit keine Auskunft gegeben wird. Inoffiziell allerdings ist zu erfahren, dass Leute wie der Polizeipräsident höchst entsetzt sind und derzeit sich kaum jemand vorstellen kann, wie die Kürzungen umgesetzt werden sollen – denn jeder Bereich, der mit sieben Prozent jährlich „dabei“ sein soll, muss im dritten Jahr nämlich schon mit 21 Prozent weniger auskommen. Zum Beispiel.
Im vergangenen Herbst hatte der Senat eine Konkretisierung der mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgelegt, sondern nur global eine Kürzung der Eckwerte um drei Prozent der „Sachausgaben“ eingeplant. Nun zählt die Milliarde Sozialhilfe zu den „Sachausgaben“, die nach bundesgesetzlichen Regelungen berechnet werden. Die muss also von den drei Prozent ausgenommen werden. Zum Beispiel sind bei „Zuschüssen“ für diverse Einrichtungen Personalkosten enthalten, die nicht gekürzt werden können. Jeder Posten, der so grundsätzlich nicht kürzbar ist, führt dazu, dass ein gleich großer kürzbarer Bereich mit der doppelten Einspar-Summe „dabei“ sein muss. Dies führt das dicke Zahlenwerk des Finanzsenators einmal im Detail vor – streng vertraulich und nur für die Augen der Staatsräte. Vor diesem Hintergrund sehen die eingeweihten Staatsräte die Debatte um die Einsparungen im Kulturbereich mit einer Mischung aus Sorge und Zynismus: Solche Schnitte werden demnächst für jedem Politikbereich erforderlich sein.
Die Vorberatungen werden auf Staatsratsebene höchst vertraulich gehalten, um mit dem Argument: Es geht nur darum, Bremens Selbständigkeit zu retten am 18. April im Senat zu einem einhelligen Beschluss zu kommen – bevor die einzelnen SenatorInnen unter dem Druck ihres Klientels eventuell „umfallen“ könnten. K.W.
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