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Cooles Wissen

Vorteile elliptischer Plattennadeln: Ein DJ-Handbuch beantwortet Fragen, die so keiner stellen würde

Schon Mitte der Achtzigerjahre prophezeite Neil Tennant von den Pet Shop Boys, dass Plattenspieler und Mischpult eines Tages die Gitarre aus den Kinderzimmern verdrängen würden. Er sollte Recht behalten: Das Ziel, DJ in einer HipHop-Crew zu werden oder eine Clubcrowd in eine schwitzende Masse zu verwandeln, hat das Musiker/Band-Modell längst als Pop-Lebensentwurf Nummer eins abgelöst.

Da tut Knowledge Not, dachten sich die Journalisten Ralph Niemczyk (Spex) und Torsten Schmidt (Groove), schließlich gehört eine ganze Generation verunsicherter Nachwuchs-DJs an die Hand genommen. Und ein wenig cooles Wissen hat noch keinem spätpubertären Tranceliebhaber mit DJ-Ambitionen geschadet.

„From Skratch. Das DJ Handbuch“ ist im Grunde die Zusammenfassung der von Niemczyk und Schmidt koorganisierten Red Bull Music Academy, die 1998/99 in Berlin stattfand und auf ein überwältigendes Medieninteresse stieß. Zwei Dutzend DJs aus aller Welt durften dort Club-Ikonen wie Jeff Mills und Gilles Peterson ausfragen, gemeinsam baute man Mischpulte auseinander, übte scratchen und ließ sich über Gema-Gebühren, Urheberpersönlichkeitsrechte und die Vorteile elliptisch geschliffener Plattennadeln belehren.

Nicht ohne Grund hieß die Veranstaltung „Akademie“. Hatten die Teilnehmer eben noch den Anekdoten des Erfinders der Scratch-Technik, Grandwizard Theodore, gelauscht, so hieß es wenig später Hausaufgaben machen, Schallschwingungskurven von der Tafel abzeichnen und ähnlich unerfreulicher Kram.

Der Anspruch des Akademiestundenplans, Club- und Musikgeschichte von den Stars und Schlüsselfiguren des DJ-Circuit erzählen zu lassen, um anschließend ein Basiswissen in Technik-, Rechts- und Bussinessfragen zu vermitteln, gerät zugleich zur Stärke und Schwäche des Buches. Denn so amüsant und lehrreich die versammelten Interviews sind, so staubtrocken und unfunky lesen sich die Exkurse von Rechtsanwälten, Tontechnikern und Nadelspezialisten.

Anderereits macht gerade der zweite Teil des Buches seinen Nutzwert aus. Fragen, die so kaum jemand stellen würde, werden gewissenhaft, wie es sich für ein Handbuch gehört, beantwortet. Und das ist mehr, als man von einigen der Materie gewidmeten Cultural-Studies-Werken behaupten kann, die zwanghaft halbverdaute Deleuze-Thesen samplen oder gleich Hegels Weltgeist in die Disko schicken. Zur Abwechslung Fakten: So wars, so funktionierts, und folgende Platten muss man einfach kennen. Der Nachwuchs freut sich, und wenn es denn zum Geburtstag der erste Plattenspieler sein sollte, hat die Oma endlich ein passendes Geschenk. CORNELIUS TITTEL

Ralph Niemczyk, Torsten Schmidt (Hg.): „From Skratch. Das DJ Handbuch“. KiWi, Köln 2000, 334 S. 26,90 DM

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