: Kritik aus Havanna
Beim Gipfel der G-77-Länder fordert Fidel Castro die Zerschlagung des Internationalen Währungsfonds
SAN SALVADOR taz ■ So ist das, wenn sich die Verlierer der Globalisierung treffen: Sie können große Reden halten, aber die Konsequenzen sind minimal. So war es in Havanna, wo bis gestern der erste Gipfel der Staatschefs der G-77-Länder stattfand. 1964 wurde das Forum von 77 Entwicklungsländern gegründet. Mittlerweile hat es 133 Mitglieder und repräsentiert 80 Prozent der Weltbevölkerung. Allerdings: In diesen Ländern werden nur 20 Prozent des weltweiten Reichtums akkumuliert und konsumiert.
Bei der Konferenz ging es um die Nord-Süd-Beziehungen, um die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern, um Verbreitung und Zugang zu neuen Technologien und um die Folgen der Globalisierung. Für die 42 Staatschefs und rund 120 Regierungsdelegationen war jedes dieser Themen Anlass zur Klage.
Am radikalsten gab sich der Hausherr, Kubas Präsident Fidel Castro. Bei der Eröffnung forderte er die „Zerschlagung“ des Internationalen Währungsfonds (IWF). „Für die Dritte Welt ist es überlebenswichtig, dass diese düstere Organisation verschwindet“, sagte der 73 Jahre alte Politiker. Auch die Welthandelsorganistion WTO müsse einer gründlichen Kurskorrektur unterzogen werden. Sie habe die Welt zum Ozean-Dampfer gemacht, „in dem einige in Luxus-Kabinen wohnen und alle anderen unter Deck als Sklaven schuften“. Man brauche etwas wie die „Nürnberger Kriegsgerichte, um der uns aufgezwungenen Weltwirtschaftsordnung den Prozess zu machen“, meinte Castro. Denn der Kapitalismus sei schlimmer als der Zweite Weltkrieg.
Andere Redner stimmten Castro im Prinzip zu. Sie forderten, Kompetenzen von Weltbank und IWF an die Vereinten Nationen zu übertragen und einen Schuldenerlass für die hochverschuldeten armen Länder. Das unterstützt auch UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der als Ehrengast an der Konferenz teilnahm. Er werde „darauf bestehen, dass die Industrie-Nationen diese Schulden aus ihren Büchern streichen“.
Nigeria drängte zudem auf institutionalisierte gegenseitige Hilfe. Präsident Olusegun Obasanjo schlug die Schaffung eines gemeinsamen Fonds für ein Aktionsprogramm vor.
Die kubanische Dissidenz, die ansonsten internationale Treffen in Havanna zum Protest gegen das Regime nutzt, blieb erstaunlich ruhig. Aber von zu Staatschefs gewordenen ehemaligen Freiheitskämpfern wie Thabo Mbeki (Südafrika), Robert Mugabe (Simbabwe) oder Muammar el Ghadafi (Libyen) konnten sie auch kaum Unterstützung erwarten. TONI KEPPELER
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