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Neuer Chef auf Hamburger Linie

Olaf Scholz zum SPD-Vorsitzenden in Hamburg gewählt. Parteitag fordert härteres Vorgehen gegen jugendliche Straftäter  ■ Von Sven-Michael Veit

Es dürfe nicht das Ziel der Hamburger Sozialdemokraten sein, „die Hoheit über deie Stammtische zu erringen“, sagte Andrea Hilgers, „aber wir müssen uns diesen auch verständlich machen“. So begründete die Bürgerschaftsabgeordnete am Sonnabend auf dem Landesparteitag der Hamburger SPD die künftig verschärfte „Hamburger Linie“ gegen Jugendkriminalität.

Und die sieht vor, so der nach kontroverser Debatte mit großer Mehrheit angenommene Antrag, konsequenter gegen mehrfach straffällige Jugendliche vorzugehen und vorhandene Zwangsmöglichkeiten stärker zu nutzen. Denn es gelte, „die objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in den Stadtteilen“ zu berücksichtigen. „Intensivtäter“, die in speziellen Wohnungen mit umfassender pädagogischer Betreuung untergebracht sind, sollen diese nur „nach sichtbaren erzieherischen Erfolgen und unter strengen Auflagen“ verlassen dürfen. In dem Beschluss des Parteitages wird von der Unterbringung „in einer Einrichtung mit hoher Verbindlichkeit“ gesprochen.

Die von Teilen des rechten Flügels erhobene Forderung nach geschlossenen Heimen für jugendliche Straftäter hatte zuvor Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit vehement abgelehnt. Wichtiger sei, die Vorbeugung zu verbessern und zur Kenntnis zu nehmen, dass „immer noch unglaublich viele Kinder im häuslichen Bereich Gewalt erleben“. Auch der neue Parteichef Olaf Scholz lehnte eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Ohnehin gehe es nur „um fünf bis 15 sogenannte Intensivtäter“, relativierte er das Thema.

Der 41-jährige Scholz war zu Beginn des Parteitages am Freitag Abend zum Nachfolger des amtsmüden Jörg Kuhbier gewählt worden. Mit 84,2 Prozent erhielt der Altonaer Parteilinke ein Ergebnis, mit dem er „sehr zufrieden“ ist (Bericht S. 6, Interview S. 22). Anschließend wählten die 317 Delegierten die 48-jährige Bürgerschaftsabgeordnete Barbara Duden (Wandsbek, rechter Flügel, 88,4 %) und die 45-jährige Bergedorfer Beschäftigungsbeauftragte Ingrid Stöckl (linker Flügel, 65,4 %) zu stellvertretenden Parteivorsitzenden. Zusammen mit Scholz sollen sie für den Generationswechsel in der Hamburger SPD stehen. Der 59-jährige Kuhbier und seine 57-jährige Vize Petra Brinkmann waren nach sechs Amtsjahren nicht mehr angetreten.

Im Hinblick auf die Bürgerschaftswahl im Herbst 2001 waren die Delegierten bereits demonstrativ um Geschlossenheit bemüht. Für den einzigen Missklang sorgte Ursula Caberta. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology in der Innenbehörde kritisierte, dass die KandidatInnen für den neuen Parteivorstand nicht per Mitgliederbefragung ermittelt, sondern vom alten Vorstand „im Hinterzimmer“ nominiert wurden. Es müsse Schluss sein „mit dieser ewigen verdammten Kungelei“, forderte Caberta.

Der Parteitag applaudierte höflich – und stimmte danach wie gewünscht ab.

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