: Mitwirkung Dritter erpresst
■ Sozialhilfe wird wieder gezahlt, nachdem der Mitbewohner sein Einkommen offenlegte / Beziehungs-Frage weiter ungeklärt
Die Not hat ein Ende: Nach über zwei Wochen Sperre bekommt Susanne Schulte* wieder Sozialhilfe. Solange hatte sie sich mit Lebensmittelspenden der Kirche und der Bremer Tafel durchgeschlagen (taz berichtete). Der Mitbewohner der 30-Jährigen hat nun belegt, dass er zu Unterhaltsleistungen nicht in der Lage ist.
Die Gröpelingerin wird vom Sozialamt verdächtigt, mit ihrem Mitbewohner mehr als nur die Wohnung zu teilen: Seit die Frau einen unangemeldeten Kontrollbesuch in ihrer Wohnung verweigert hatte, geht der zuständige Sachbearbeiter von einem „eheähnlichen Verhältnis“ aus. Demnach wäre Susanne Schultes Mitbewohner unterhaltspflichtig – prompt wurde sie aufgefordert, dessen Einkommen offenzulegen.
Die Sozialhilfeempfängerin war damit nicht einverstanden: Ihrem Mitbewohner, mit dem sie nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft lebe, könne sie weder einen unangemeldeten Hausbesuch noch die Vorlage von Unterlagen zumuten, argumentierte sie. Das Amt für Soziale Dienste West blieb davon unbeeindruckt und sperrte der Frau die Stütze.
Auch der Gang zum Verwaltungsgericht half nicht weiter: Die angestrebte einstweilige Verfügung auf Weiterzahlung der Sozialhilfe wurde der Ex-Postbotin mit der Begründung verweigert, ihrer finanziellen Notlage könne sie doch durch die Vorlage der verlangten Einkommensbelege ihres Mitbewohners selbst abhelfen. Das habe sie auch in der Vergangenheit getan.
Tatsächlich hatte der Mann bereits 1997 bei Schultes Erstantrag auf Sozialhilfe einmalig eine Bescheinigung über den Bezug von Arbeitslosenhilfe vorgelegt – um nicht persönlich mit ihr beim Sozialamt erscheinen zu müssen. Daraufhin bekam Susanne Schulte den so genannten „Mischregelsatz“ in Höhe von 492,50 Mark im Monat. Dieser niedrige Satz kommt allgemein in Familien zur Anwendung, da bestimmte Kosten durch gemeinsame Nutzung niedriger ausfallen. Schulte legte Widerspruch ein und erhielt fortan die vollen 547 Mark für Alleinstehende. „Damit hat das Sozialamt faktisch anerkannt, dass es sich bei den beiden nicht um eine Lebensgemeinschaft handelt. Das wurde auch seitdem nicht mehr angezweifelt. Deshalb ist das Verlangen eines sofortigen Hausbesuchs auch nicht verhältnismäßig, solange nicht alle anderen Mittel zur Klärung des Sachverhalts ausgeschöpft sind“, meint Gitta Barufke, Rechtsberaterin bei der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger (AGAB).
Susanne Schultes Mitbewohner hat seine Einkommensbelege jetzt nur unter Protest und unter Verweis auf die „Zwangslage“ vorgelegt. Er betont, dass er dazu nicht wieder bereit sei. In Zukunft müsse das Sozialamt seine Konflikte mit Schulte ohne sein Zutun regeln. Die Behörde geht indes weiterhin davon aus, dass die beiden ein Paar sind. Sollten sich die Einkommensverhältnisse ändern, begänne die Auseinandersetzung also von neuem. Die Frage nach der Lebensgemeinschaft könnte sich allerdings bald erübrigen: „Durch die ganze Geschichte ist unser Verhältnis extrem angespannt“, sagt Susanne Schulte. „Ich sehe mich deswegen inzwischen nach einer eigenen Wohnung um.“ Das könnte das Sozialamt teuer zu stehen kommen. Auch mit der aufgehobenen Sperre der Sozialhilfe ist Schulte nicht zufrieden: Sie ist sich sicher, dass ihr Sachbearbeiter sie bewusst schikaniert, und will deshalb seine Zuständigkeit dauerhaft ablehnen. Sogar an Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hat sie sich deswegen mit einem Brief gewandt. not
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