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Mär vom schlechten Geld

Gunter Person, Kunstvermittler und Mitbegründer von „Geist und Wirtschaft“, im Interview über ungeahnte Jobchancen für resignierte Geisteswissenschaftler

taz: Herr Person, Sie haben Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie studiert – eine Fächerkombination, bei der einem der Berufsberater bis vor wenigen Jahren die spätere Arbeitslosigkeit quasi garantiert hat.

Gunter Person: Ja, das stimmt. Die Geisteswissenschaften haben den Ruf der brotlosen Künste, was bei vielen Studenten dieser Fächer zu einer resignativen Haltung führt. Nämlich der, man könne mit dem, was man als Germanist oder Kunsthistoriker an der Universität lernt, per se kein Geld verdienen.

Eine Haltung, die Sie als selbstständiger Kunstberater offensichtlich nicht teilen?!

Nein, weil meine Erfahrung ist, dass ich in meinem Studium Fähigkeiten erworben habe, die in der Wirtschaft inzwischen stark gefragt sind. Auf einem Markt, der sich immer rasanter verändert, ist längst die Unternehmenskultur und nicht mehr die Produktherstellung zum großen Wettbewerbsfaktor avanciert. Egal ob der Mitarbeiter oder der Kunde: Die Firmen sind heute gezwungen, den Menschen in das Zentrum ihrer Strategien zu stellen. Und dafür braucht man keine Fachidioten, sondern Leute, die in der Lage sind, selbstständig zu arbeiten, komplexe Sachverhalte zu erklären und auch nach ungewöhnlichen Lösungen zu suchen. Nichts anderes lernt man an der Philosophischen Fakultät.

Entsprechend haben Sie in Köln die Projektgruppe „Existenzgründung“ von „Geist und Wirtschaft“ gegründet, eine berufsvorbeitende Initiative für Geisteswissenschaftler, wie es sie mittlerweile an fast jeder deutschen Uni gibt.

Nach mehreren Praktika in einer Bank, am Theater und beim WDR habe ich in der Möglichkeit, mich selbstständig zu machen, einfach die Chance gesehen, das, was ich gelernt habe, zu verwirklichen. Und auch mehr Geld zu verdienen. Ein Anliegen, das bei vielen meiner Kommilitonen allerdings auf entsetztes Schweigen gestoßen ist.

Warum?

Weil unter Geisteswissenschaftlern leider immer noch die Lebenslüge vom guten und vom schlechten Geld grassiert. Das gute ist das Geld, das man in den sozial-kreativen Berufen verdient, sprich: in Verlagen, Bibliotheken, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das schlechte indes das, was aus der Wirtschaft kommt. Einer meinte gar zu mir, er würde lieber putzen gehen als Geschäftsmann zu werden.

Haben Sie eine Erklärung für diese strikte Abwehrhaltung?

Anders als in Jura oder BWL werden wir ja nicht für relativ klar definierte Berufe ausgebildet. Die Frage nach dem finanziellen Vorteil ist von daher bei uns zweitrangig, und das Wort „Verkaufen“ besitzt einen schlechten Klang. Aber um seine Qualifikationen nutzbar zu machen, gehört es nun mal dazu, sich verkaufen zu können. Das klammern viele Geisteswissenschaftler aus – und stilisieren sich stattdessen trotzig zu besseren Menschen, obwohl sie nur die schlechteren Verkäufer sind.

Sind da nicht auch die Professoren gefordert, ihre Studenten besser auf das Berufsleben vorzubereiten?!

Nein, ich bin dagegen, dass die Unis zu reinen Ausbildungsstellen für den Arbeitsmarkt werden. Die Forschung muss ein Freiraum bleiben, auch wenn nur ein geringer Teil der Studenten hinterher wissenschaftlich arbeitet. Wir sind aufgefordert, Eigeninitiative zu entwickeln – gerade dann, wenn wir uns selbstständig machen wollen. Wer selbstständig sein will, darf nicht erwarten, dass ein Professor sich um seine Zukunft kümmert. Er muss das schon selber tun.

Was heißt das konkret?

Drei Fragen sollten am Anfang der Arbeitssuche stehen: Was kann ich? Was will ich? Und wo wird das, was ich kann und will, gefördert? Stichwort: Praktikum. Als Student ist man in der glücklichen Lage, in ganz unterschiedliche Branchen hineinschnuppern zu können. Dazu rate ich jedem. Denn auch wenn Praktika generell schlecht bezahlt sind und das Studium unter Umständen verlängern, sie rentieren sich in jedem Fall. Hier und nicht an der Uni knüpft man die wichtigen Kontakte. Nur hier kann man austesten, wo die eigenen Interessen und Stärken wirklich liegen. Und das ist immer noch der beste Promoter: Zu wissen, was man kann – und von seiner Sache begeistert zu sein. Interview: GISA FUNCK

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