: Worte statt Knüppel
Die iranischen Journalisten Alireza Alavitabar und Hamid Reza Djalaipur kämpfen mit Texten für politische Reformen. Sie sind fast am Ziel
Interview FLORIAN HARMS
Der 40-jährige Alireza Alavitabar ist Chefredakteur der mit einer Auflage von 420.000 Exemplaren größten iranischen Tageszeitung Sobhe Emrouz. Der 41-jährige Hamid Reza Djalaipur, ehemals begeisterter Anhänger Ajatollah Chomeinis, ist heute einer der gefährdetsten Reformjournalisten Irans und Chefredaktions-Mitglied der Zeitung Asre Azadegan. Die taz sprach mit ihnen letzte Woche am Rande der Konferenz „Iran nach den Wahlen“.
taz: Herr Alavitabar, wie wichtig ist Sobhe Emrouz für Ihr Land?
Alavitabar: In der Reformbewegung gibt es ganz unterschiedliche Stimmen. Sobhe Emrouz hat darin die Meinungsführung. Unsere Leser haben den Eindruck, dass in dieser Zeitung die Strategen der Reformbewegung von Präsident Chatami sitzen.
Herr Djalaipur, Ihre Zeitung wurde wiederholt verboten. Was tun Sie dagegen?
Djalaipur: Die Konservativen machen die Zeitungen zu, aber wir bringen sie immer wieder unter neuem Namen raus. Das ist wie ein Wettbewerb. Im Demokratisierungsprozess ist der Weg manchmal wichtiger als die schließlich erreichte Demokratie selbst. Auch wenn immer neu erlassene Gesetze uns behindern, sind wir froh über sie: Sie bewirken, dass man sich mit unseren Anliegen auseinander setzt.
Warum wird Sobhe Emrouz nicht verboten – schreiben ihre Redakteure weniger scharf?
Alavitabar: Sobhe Emrouz arbeitet im Gegensatz zu Asre Azadegan erst seit anderthalb Jahren. Als wir angefangen haben, war die politische Atmosphäre schon viel offener. Aber auch Sobhe Emrouz hat eine dicke Akte im Gericht. Wir rechnen immer mit einer Schließung. Deshalb haben wir im Voraus Zeitungslizenzen beantragt, mit denen wir bei einem Verbot einspringen können.
Ist Sobhe Emrouz so groß, dass die Konservativen Angst vor dieser Zeitung haben?
Alavitabar: Die Konservativen interessiert unsere hohe Auflage nicht. Sie bringt uns keine Sicherheit. Deshalb haben wir Juristen, die die Artikel vor ihre Veröffentlichung darauf durchlesen, ob Klage gegen die Autoren erhoben werden kann.
Muss ein iranischer Journalist im Gefängnis gewesen sein, um ernst genommen zu werden?
Alavitabar: Wenn ein Journalist verhaftet wird, unterstützt ihn die liberale Presse. Das macht ihn populärer als er ist – die Leute werden neugierig, weshalb er verhaftet wurde und was er zu sagen hat.
Hat sich in Ihrer täglichen Arbeit seit dem Wahlsieg der Reformer etwas verändert?
Alavitabar: Wir erleben jetzt die beste Zeit seit Bestehen der Islamischen Republik. Die Medien können heute alles sagen. Aber nun reicht es nicht mehr aus, dass wir bloß Kritik üben. Wir müssen konstruktive Vorschläge für Veränderungen machen. Wir planen die Zukunft des Iran.
Djalaipur: Die Medien sind das am besten organisierte und das konsequenteste Mittel im Reformprozess. Aber noch wichtiger ist, was die Menschen durch die Medien erfahren: die Zeichen zum zivilen Aufbruch. Diese Bewegung produziert Worte, nicht Knüppel.
Welche Medien?
Djalaipur: Vor allem Zeitungen. Vom staatlichen Fernsehen kann dabei keine Rede sein.
Alavitabar: Die Iraner beziehen ihre politischen Nachrichten aus den Zeitungen und Unterhaltung aus dem Fernsehen.
Haben Sie Angst, wenn ihre Zeitung abends in Druck geht?
Djalaipur: Nein, ich genieße das!
Alavitabar: Ich auch! Es ist wie ein Schachspiel oder ein Boxkampf. Unsere Gegenspieler verletzen nur manchmal durch Gewalt die Regeln des Spieles.
Behandeln Sie Jugendthemen, wie Geschlechterbeziehungen?
Alavitabar: Nein. Unsere Zeitung befasst sich hauptsächlich mit Politik. Wir sind noch nicht so weit gekommen, uns mit den sozialen Problemen auseinander zu setzen. Aber generell sind wir gegen jede Einmischung des Staates ins Privatleben der Leute.
Das Parlament hat gerade eine Verschärfung des Presserechts beschlossen. Ist das der letzte Schlag der Konservativen?
Alavitabar: Das wird nicht die letzte Attacke sein. Die Konservativen haben noch einen Monat Zeit. Aber dieses Gesetz wird nur einen Monat in Kraft bleiben. Das Erste, was die Reformer ändern werden, ist das Pressegesetz.
Was muss dabei geändert werden, damit Sie zufrieden sind?
Alavitabar: Die Regierung darf zum Beispiel nicht mehr berechtigt sein, Zeitungen ohne Gerichtsverhandlung zu schließen. Das Prinzip muss sein, dass die Presse alles schreiben darf, was nicht die Persönlichkeitsrechte von anderen beeinträchtigt.
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