polizeifestspiele: ROLLENTAUSCH IM WONNEMAI
Erinnert sich noch jemand an Nilson Kirchner? Nein? Nilson Kirchner hatte einmal eine Idee. Das war nach der legendären Walpurgisnachtrandale 1995 in Prenzlauer Berg. Eine friedliche Walpurgisfeier wollte Kirchner ein Jahr später organisieren, auf dem Kollwitzplatz, mit ganz viel „ohne Gewalt“ und einer richtigen Sicherheitspartnerschaft à la Wendezeit. Pech nur, dass die Hauptakteure nicht mitspielten. Polizei und Kids machten was sie wollten, und das nicht „ohne Gewalt“. Kirchner hin, Sicherheitspartnerschaft her.
Und nun? Nun will’s die Polizei selbst richten. Aha! Da staunen wir natürlich, und zwar gleich zweimal. Einmal, weil wir der Polizei so viel guten Willen zu „ohne Gewalt“ gar nicht zugetraut hätten. Zweimal, weil wir uns das immer noch nicht vorstellen können. Bildlich gesprochen.
Oder doch? Nehmen wir einmal an, die Polizei ist friedlich. Gehen wir davon aus, das Wetter ist schön. Versetzen wir uns in den Mauerpark. Was sehen wir? Richtig: kiffende Jugendliche im Reggae-Rhythm, coole Bullen mit Bierflaschen und Sonnenbrille, linke Bands, die ihren Gig hinterher beim PolPräs abrechnen. So viel Berliner Mischung war lange nicht mehr.
Nein, und wir wollen auch gar nicht unken, was passiert, wenn es doch zur Gewalt kommt, wie das aussieht, wenn die Polizei dann gegen den Veranstalter, die Polizei, einschreiten muss, wo die coolen Bullen ihre Helme haben, und wo sie mal eben ihren Joint ablegen sollen, um zum Schlagstock zu greifen.
Wohlan, wir wollen uns also wundern und uns eines Besseren belehren lassen. Fragt sich aber nur, warum die Polizei ihre Maifestspiele nicht konsequenter umsetzt. Warum keine grüne Kiezdemo durch Neukölln? Warum keine Reiterstaffel am Oranienplatz? Und könnten nicht mal Autonome und Polizeibeamte ihre Uniform tauschen? Aber vielleicht wurden wir ja gar nicht in alle Details eingeweiht. Womöglich wurde die diesjährige Maidemo sogar von Nilson Kirchner angemeldet. Oder von Polizeipräsident Hagen Saberschinski. UWE RADA
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