: PDS lernt von der CDU – und siegt?
Angela Merkel als Vorbild: Bei der Suche nach einem neuen Parteivorsitzenden setzt auch die PDS auf Basiskonferenzen. Aber vorher will der Parteivorstand einen Kandidaten für den Posten präsentieren. Dietmar Bartsch gilt vielen als Favorit
von JENS KÖNIG
Vor über zehn Jahren war im Osten die Welt noch in Ordnung. „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“, lautete eine der wichtigsten politischen Grundregeln der SED. Heute lernen die Genossen schon mal von ihrem einstigen Klassenfeind, der erzwestlichen CDU. Ob sie dabei gewinnen, steht noch auf einem anderen Blatt. Aber das Umdenken der PDS ist ein Hinweis darauf, dass sie auf ihrem Parteitag in Münster mit dem Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Fraktionschef Gregor Gysi nicht nur ihre beiden Spitzenleute, sondern auch ein paar ihrer Gewissheiten verloren hat.
„Basiskonferenzen“ heißt eines der Zauberwörter, mit dem die PDS ihre Führungskrise beenden möchte. Als Vorbild dient den Sozialisten die CDU, die auf Regionalkonferenzen ihre neue Vorsitzende Angela Merkel gekürt hat. Diese Art der Mitbestimmung ist ganz nach dem Geschmack der PDS-Führung: Die Basis diskutiert über die inhaltliche Ausrichtung der Partei und deren neue Spitze – aber in Wahrheit entscheidet sie nichts. Dieses Kalkül gibt natürlich niemand aus dem Parteivorstand zu. Im Gegenteil. Bisky erklärt, die Basiskonferenzen seiner Partei sollten nicht zu einem Schaulaufen à la Merkel, sondern zu wirklichen Diskussionsforen werden. „Wir wollen keine Veranstaltungen, auf denen es so aussieht, als reise wie früher der 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ durchs Land und nehme nur den Applaus entgegen“, so der Parteivorsitzende.
Trotz dieser Beteuerungen möchte der Parteivorstand natürlich selbst bestimmen, wer neuer PDS-Chef wird. Deswegen hat er auf seiner Sitzung am Montag beschlossen, innerhalb der nächsten vier Wochen einen Personalvorschlag für die neue Führung zu unterbreiten. Unklar ist, ob ein oder mehrere Kandidaten vorgeschlagen und ob dabei nur der Parteivorsitzende oder auch dessen Stellvertreter und der Geschäftsführer berücksichtigt werden. Die neue Führung wird auf einem vorgezogenen Parteitag im Oktober gewählt.
Mit diesem Verfahren und den geplanten Basiskonferenzen hat sich Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch weitgehend durchgesetzt: Einerseits gegen den Ehrenvorsitzenden Hans Modrow, der noch vor der Vorstandssitzung gewarnt hatte, die Parteielite solle nicht glauben, sie könne die Aufteilung der künftigen Posten unter sich ausmachen, andererseits gegen die Berliner Landesvorsitzende Petra Pau, die einen innerparteilichen Wahlkampf um den PDS-Vorsitz lieber gesehen hätte als einen Personalvorschlag des Vorstandes. Hintergrund von Paus Überlegung ist ihre Angst, bei einem gesteuerten Verfahren von oben als Parteivorsitzende übergangen zu werden.
Die CDU hat Merkel – die PDS nur Männer an der Spitze?
Pau und Bartsch gelten als die einzigen ernst zu nehmenden Kandidaten für den Chefsessel. Wie aus dem Umfeld des noch amtierenden Parteivorsitzenden zu erfahren war, favorisiere der innere PDS-Führungszirkel um Bisky und Gysi eindeutig Dietmar Bartsch. Er habe als einziger das Format, die Partei nach Bisky und Gysi zu führen, heißt es. Wunschkandidat für den Fraktionsvorsitz ist Roland Claus, der jetzige parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion.
Innerparteilich sprechen allerdings zwei Gründe gegen dieses Führungsduo: Die beiden Spitzenposten der Partei werden mit Männern besetzt, was in Zeiten der Angela-Merkel-Euphorie nicht so gut aussieht. Außerdem ist ein Parteivorsitzender Bartsch der Partei möglicherweise schwer zu vermitteln. Bartsch gilt manchen als zu technokratisch, anderen als zu arrogant. Vor allem aber fürchten viele, er könnte den Reformkurs kompromissloser fortsetzen als Lothar Bisky und die Partei damit einer Zerreißprobe aussetzen
Sollte Bartsch nicht durchzusetzen sein, käme Petra Pau als Parteichefin zum Zuge, heißt es in der Parteizentrale. Dann könnte Bartsch neuer Fraktionschef werden und Roland Claus den frei werdenden Posten des Bundesgeschäftsführers übernehmen. Diese Variante sehen aber sowohl Bartsch als auch Claus nur als zweite Wahl an.
Wer sich in der Frage des Parteivorsitzes am Ende durchsetzt, hänge nicht zuletzt von einer Einigung zwischen Bartsch und Pau selbst ab, heißt es. Beide belauern sich im Moment, beide haben noch nicht einmal auf der Vorstandssitzung am Montag erklärt, ob sie überhaupt kandidieren wollen. Für Bartsch und Pau, die politisch nicht weit auseinander sind, gilt in der jetzigen Situation aber eine Regel: Das Reformerlager darf sich über die Personalie nicht zerstreiten. Nicht unwahrscheinlich ist, dass sich die beiden Kandidaten, die nicht die besten Freunde sind, ganz rational darüber verständigen werden, wer die besten Chancen auf den Parteivorsitz besitzt. Dann entscheidet der Vorstand – und dann darf die Basis diskutieren. Fast wie bei der CDU.
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