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Knapp daneben ist o.k.

Die Prognosen der Forscher liegen oft daneben. Das wird auch diesmal – beim hundertsten Gutachten – nicht viel anders sein

BERLIN taz ■ Vor zwei Jahren hatten die Konjunkturforscher richtig was zu feiern: In ihrem Herbstgutachten hatten sie der deutschen Wirtschaft ein Wachstum von 2,8 Prozent vorhergesagt – und die Prognose war haargenau eingetroffen. Im vergangenen Jahr lagen sie dagegen mit ihrer Ansage von 1,7 Prozent um 0,3 Prozentpunkte daneben. Auch kein großes Problem, meint Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW). Und seine Kollegen geben ihm Recht. Wichtig sei nur, den Trend einzuschätzen – und daraus entsprechende Empfehlungen für die Wirtschafts- und Finanzpolitik abzuleiten.

Zweimal jährlich legen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute – zu denen neben dem IfW das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), das ifo-Institut in München, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) gehören – ihre Gutachten vor – für insgesamt 1,2 Millionen Mark im Jahr. Das Frühjahrsgutachten gilt als Grundlage für die Steuerschätzung, das Herbstgutachten soll bei der Aufstellung des Haushalts helfen, die früheren Annahmen korrigieren.

Grundidee ist, Experten unterschiedlicher Herkunft und Orientierung zusammenzuführen. Das läuft manchmal auf Kompromisse hinaus, manchmal entwickelt sich eine so genannte Minderheitsmeinung, die einen grundsätzlichen Konflikt dokumentiert und deswegen auch in das Gutachten aufgenommen wird. Dabei fielen bislang vor allem das DIW und das IfW mit unvereinbaren Einschätzungen auf. Das DIW vertritt einen eher nachfragetheoretischen, arbeitnehmerfreundlichen Ansatz, das beinahe ausschließlich angebotsorientierte IfW gilt als Speerspitze des Neoliberalismus, fand sich damit aber in den vergangenen Jahren zunehmend im Mainstream wieder.

Inwieweit die politischen Entscheider sich von den Annahmen ihrer Politikberater beeinflussen lassen, ist unterschiedlich. 1990 beispielsweise warnten die Gutachter davor, den Umtauschkurs beim Anschluss der DDR auf 1 zu 1 festzulegen und eine zu schnelle Angleichung vorzugeben. Die Entwicklung gab ihnen Recht, befolgt wurden die Ratschläge nicht.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute sind nicht die einzigen Berater der Bundesregierung in wirtschaftlichen Fragen. Dem Gemeinschaftsgutachten folgt in Kürze die Beurteilung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der so genannten fünf Wirtschaftsweisen. Hier versammeln sich Experten aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaftswissenschaft, die von der Bundesregierung benannt und vom Bundespräsidenten berufen werden. Derzeit gehören ihm die Professoren Jürgen Donges, Jürgen Kromphardt, Rolf Peffekoven, Bert Rürup und Horst Siebert an. bw

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