: Autopanne in der Hölle
Rassismus als Vorurteil und Hirngespinst: In Garret Williams’ Film „Spark“ trifft ein farbiges Pärchen auf die weiße amerikanische Kleinstadtwirklichkeit
Irgendwo zwischen Chicago und San Francisco mit dem Wagen liegen zu bleiben, ist für einen Großstädter der Albtraum schlechthin. Als ob sich die eigenen Beine nicht mehr von der Stelle bewegen und das in einer Umgebung, die wahrscheinlich fest in der Hand von Gesetzlosen ist. Man hat die Filme gesehen: Oliver Stones „U-Turn“ zu Beispiel, in dem Sean Penn das Opfer eines bösartigen Automechanikers wird. Oder Kurt Russell, dem in „Breakdown“ ein paar Rednecks auf den Fersen sind – anständige Leute, die seit Jahren die Durchreisenden um die Ecke bringen.
Ähnliche Bilder hat auch Byron im Kopf, als sein BMW mitten in der Wüste den Geist aufgibt. Dass er schwarz ist, macht die Situation noch bedrohlicher. Während er jedoch gleich die Vorboten der Gefahr wahrnimmt (das Kreuz am Straßenrand), hält seine Freundin Nina arglos den nächstbesten Pick-up an. Der junge Hillbilly schleppt sie sogar bereitwillig ab. Aber deshalb flößen weder er noch sein betrunkener Mechaniker-Vater besonders viel Vertrauen ein. Auf dem Klo der Werkstatt hat außerdem jemand Ku-Klux-Klan-Graffiti hingeschmiert, und die Gäste im Café starren, als hätten sie noch nie einen lebenden Schwarzen gesehen.
Nun handelt „Spark“ im Gegensatz zu anderen Filmen aber nicht (nur) davon, wie smarte Städter in die Fänge von Hinterwäldlern geraten. Vor allem zeigt er, wie aus solchen vorgefassten Bildern Fehlinterpretationen entstehen. Spätestens als Byron einen der glotzenden Gäste attackiert, wird deutlich, dass er auf eine imaginäre Situation reagiert – der andere hat bloß eine kleine Zeichnung angefertigt. Auch der mit Zwiebeln servierte Hamburger oder der überteuerte Preis für den kaputten Verteiler verraten nicht gleich rassistische Motive.
Aber je mehr sich Byron in seiner Paranoia verliert, umso kritischer wird seine Situation. Dass die Polizei bald auf ihn aufmerksam wird, liegt nicht zuletzt daran, dass seine Mach-mich-nicht-an-Tour in Chicago zwar zum Repertoire jedes Straßenkinds gehört, in der Kleinstadt jedoch nach Randale aussieht. Schon die Reserviertheit der Umstehenden macht deutlich, wie deplaziert die aggressive Selbstbehauptung wirken muß.
Regisseur Garret Williams interessiert allerdings nicht, dass man auch Byron missversteht, die Fehlwahrnehmung also beidseitig ist. Und ob die Ortsansässigen tatsächlich Vorurteile hegen, wird überhaupt nicht gezeigt. Statt dessen bleibt die fremde Umgebung eine weite, sehr sandige Projektionsfläche voll uneindeutiger Zeichen. In dieser Ambivalenz liegt die größte Stärke und Schwäche von „Spark“. Denn einerseits ergibt es einen guten Krimi, wenn jemand mühsam eine fremde Welt deuten muss. Andrerseits ist es mit Vorsicht zu genießen, dass Rassismus hier ausschließlich als Hirngespinst eines paranoiden Afro-amerikaners beschrieben wird.
Selbst als Byron eines Verbrechens verdächtigt wird, das er nicht begangen hat, erscheint seine Vorverurteilung als self-fulfilling prophecy – wäre er nicht geflüchtet, hätte sich der Fall vielleicht problemlos geklärt. Sicher kann man sich da allerdings nie sein. Insofern zeigt der Film sehr schön, wie man im eigenen Kopf verloren gehen kann.KERSTIN STOLT
„Spark“. Regie: Garret Williams. Mit: Terrence Howard, Nicole Are Parker, Brendan Sexton III. USA 1998, 92 Min. fsk am Oranienplatz ab 20. April OmU, täglich 21:45 Uhr
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