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Auferstehung Fehlanzeige

Zum Ostermarsch 2000 kamen nur etwa 600 Teilnehmer. Nach Einschätzung der Organisatoren fehlte dieses Jahr das entscheidende Thema, um mehr Menschen für den Frieden zu mobilisieren

von PHILIPP GESSLER

Doch keine Wiederauferstehung. Ein Jahr nachdem die Friedensbewegung in der Hauptstadt tausende mobilisiert hatte, kamen gestern nur etwa 600 Demonstranten zum Ostermarsch.

Dabei war es dieses Mal sogar ein Jubiläum: Genau vor 40 Jahren marschierten erstmals Friedensbewegte durch die Bundesrepublik. Während die Ostermärsche in den 80er-Jahren wegen der „Nachrüstung“ und Anfang der 90er wegen des Golfkriegs noch Hunderttausende anlockten, wurde danach die Zahl der Demonstranten immer kleiner. Ausnahme: das vergangene Jahr, als der Einsatz der Nato samt Bundeswehr in Jugoslawien die Friedensbewegung wieder belebte.

So zeigte sich denn Heinz Kappei, einer der Mitorganisatoren der Demonstration, anfangs ein wenig „enttäuscht“ über die wenigen hunderte Menschen, die sich gegen 13 Uhr an der Neuen Wache versammelten. Er verwies jedoch darauf, dass die Friedensbewegung in diesem Jahr im Gegensatz zum Vorjahr „flächendeckend“ viele kleinere Demonstrationen organisieren konnte. Auf knapp 50 Demos bundesweit seien alles in allem sogar mehr Friedensbewegte auf die Straße gegangen als 1999.

Victor Grossmann, zum dritten Mal hintereinander auf einem Ostermarsch, erklärte die insgesamt geringe Anzahl von Demonstranten damit, dass es in diesem Jahr an dem einen Thema fehle, das viele mobilisieren könne. Der 72-jährige Berliner verteilte Flugblätter, die zur Solidarität mit dem in den USA zu Tode verurteilten Journalisten und Menschenrechtler Mumia Abu-Jamal aufriefen, der gestern Geburtstag hatte. Die Organisatoren des Ostermarsches forderten dieses Jahr unter anderem „keine Einsätze der Bundeswehr im Ausland“, ein „Verbot von Waffenexporten“ und den „sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie“. Daneben verlangten sie das „Verbot von Zwangsdiensten und Militär“, „Schluss mit dem Krieg in Tschetschenien“ und eine „uneingeschränkte Wiedergutmachung“ an Jugoslawien für die Schäden durch das Nato-Bombardement im Vorjahr.

Ein Redner der Abschlusskundgebung vor dem Roten Rathaus, Roland Roth vom „Komitee für Grundrechte“, erklärte die „relative Schwäche“ der Friedensbewegung damit, dass es eben stets „konkrete Anlässe“ brauche, um viele Menschen gewinnen zu können. Der wohl jüngste Demonstrant, der 10-jährige Florian, hatte ein Schild dabei mit dem Spruch „Schluss mit Waffenexporten“. Er war schon oft mit seiner Oma auf der Demo, erklärte er. Und für was demonstriere er heute? „Dass die Waffen abgeschafft werden“, sagte er, und sein Sommersprossen-Gesicht strahlte. Gestern gingen die letzten Aufrechten auf die Straße.

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