: Irans Mullahs verbieten Worte
Als Reaktion auf die Berliner Konferenz „Iran nach den Parlamentswahlen“ und den wachsenden Einfluss der Reformer um Präsident Chatami verbieten Irans Konservative zwölf reformorientierte Zeitungen und sperren zwei Journalisten ein
von FLORIAN HARMS
Die Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Reformern in Iran hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Auf Anordnung des Justizministeriums verbot gestern der für die Presse zuständige Gerichtshof in Teheran zwölf reformorientierte Zeitungen. Es ist das umfangreichste Presseverbot in der Geschichte der Islamischen Republik. Gerichtsverfahren, bei denen Redakteure der Blätter sich hätten äußern können, gab es nicht. Zuvor wurden mit Latif Safari und Akbar Gandschi zwei der bekanntesten iranischen Journalisten verhaftet und in das für Folter berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Vertreter der reformorientierten Presse sagten, die Maßnahmen entbehrten jeder rechtlichen Grundlage. Sie hätten aber zunächst keine andere Möglichkeit, als sich der Justiz zu fügen. Staatspräsident Chatami warf den Konservativen vor, das Land mit ihrem Widerstand gegen Reformen in den Ruin zu treiben.
Das Verbot von acht Tageszeitungen, drei Wochenzeitungen und einer vierzehntäglich erscheinenden Publikation wird in Iran als Gipfel einer Kampagne der konservativen Geistlichkeit um das religiöse Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei gegen die Reformer um Chatami gewertet. Der Präsident wird in seinem Reformkurs von den liberalen Zeitungen unterstützt. Chamenei, der als Führer des „Wächterrates“ in allen religiösen und politischen Fragen Irans das letzte Wort hat, hatte vergangene Woche seine Anhänger gegen die Reformpresse aufgestachelt. In einer Predigt bezeichente er die liberalen Zeitungen als „Feinde des Islam und der islamischen Revolution“. Darauf waren am Freitag über zehntausend Menschen in Teheran auf die Straßen gegangen, um gegen die „Söldner-Schreiber“ zu demonstrieren.
Als Anlass für Chameneis neuerlichen Angriff auf die Reformer gilt die von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierte Konferenz „Iran nach den Parlamentswahlen“, die vor zwei Wochen in Berlin stattfand. Erstmals waren führende iranische Reformer im Ausland zusammengekommen, um ihre Anliegen und ihre Vorgehensweise zu diskutieren. Radikale Exil-Iraner hatten die Veranstaltung der Grünen-nahen Stiftung gesprengt und durch ihr Auftreten den Konservativen in Iran einen willkommenen Vorwand für eine Generalverurteilung der Reformer geliefert.
Die Kampagne der konservativen Mullahs gipfelte im gestrigen Verbot von zwölf der renomiertesten Reformzeitungen Irans. Gerade mal drei größere Zeitungen dienen jetzt noch als Sprachrohr der Reformer, die neben dem Präsidenten ab Ende Mai auch die Mehrheit des neuen Parlaments stellen. Als Begründung für das Verbot verbreitete die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna eine Erklärung Chameneis, in der es heißt, „feindliche Elemente“ hätten sich in die betreffenden Zeitungen „eingeschlichen, um dort Stützpunkte zu bilden“. Die Blätter hätten immer wieder Material veröffentlicht, mit dem „der Islam und die religiösen Elemente der Revolution herabgesetzt“ worden seien.
Zwei Journalisten bekamen die Hetzkampagne der Konservativen persönlich zu spüren. Akbar Gandschi, der mit seinen Reportagen die Morde an fünf Schriftstellern im Herbst 1998 aufgeklärt hatte, wurde am Samstag wegen Verletzung des Presserechts verhaftet. Auch wurde ihm seine Teilnahme an der Berliner Iran-Konferenz vorgeworfen. Latif Safari, Herausgeber der bereits letztes Jahr verbotenen Zeitung Neschat, trat am Sonntag eine zweieinhalbjährige Haftstrafe an, nachdem ein Gericht das Urteil gegen ihn bestätigt hatte. Safari, der sich während der Unruhen im letzten Juli für die Studenten eingesetzt hatte, wird „Beleidigung des Islam“ vorgeworfen.
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