Mauer des Schweigens

Drei Weltklasse-Chinesinnen starten bei der Tischtennis-Europameisterschaft für Deutschland, aber beim 2:4 verlorenen Team-Finale gestern gegen Ungarn durften nur zwei an die Platte

aus Bremen HARTMUT METZ

„Drei Chinesen mit dem Kontrabass saßen auf der Straße und erzählten sich was.“ Drei Chinesinnen mit dem Tischtennisschläger stehen an der Platte und erzählen sich – nichts. Zumindest zwei Chinesinnen der dritten nicht, die alle den Deutschen Tischtennisbund (DTTB) bei der Europameisterschaft in Bremen vertreten. Das Kinderlied setzen nur Qianhong Gotsch und Jie Schöpp fröhlich und kichernd miteinander um. Zur Dritten, zu Jing Tian-Zörner, pflegen sie kühle Distanz.

Gestern im Finale spielten wieder nur die ersten beiden und überraschend unterlag das titelverteidigende Team gegen Ungarn mit 2:4. Sowohl Gotsch als auch Schöpp verloren ihre ersten Einzel, das Doppel ging an Ungarn und nachdem Gotsch und Olga Nemes für das DTTB-Team gepunktet hatten, machte Csilla Batorfi den Triumph der Ungarinnen gegen Nemes perfekt.

Nicht, dass sich die drei Chinesinnen auch sonst völlig ignorierten. Ginge auch kaum bei den gemeinsamen Lehrgängen. Aber über ihre Konkurrentinnen im deutschen Lager sprechen die drei Weltklassespielerinnen jeweils nur sehr vorsichtig. „Ich will nicht so viel reden“, räumt Jing Tian-Zörner ein. Nur eines: „Ich bin die Nummer 1 in der deutschen Rangliste und war schon auf Position 4 in der Welt. Warum ich nicht im Mannschafts-Wettbewerb spiele, muss der Trainer erklären.“

Ein Seitenhieb auf Damen-Bundestrainer Martin Adomeit, der auf die 37-Jährige wegen fehlender „internationaler Perspektiven“ im Team-Wettbewerb seit jeher verzichtet. Daran änderten auch mehrere internationale Turniersiege der Bad Driburger Bundesligaspielerin seit ihrem Comeback 1997 nichts. „Es gibt keinen sportlichen Grund, warum sie spielen sollte“, erklärt Adomeit trotzig mit Blick auf die Europaranglisten-Zweite. In seinem ohnehin überalterten Damen-Nationalteam „passen weder Alter noch Spielsystem“.

Letzteres mag man am ehesten gelten lassen. Die in Europa führende Betzingerin Qianhong Gotsch wie auch Jie Schöpp (Nr. 7) spielen Abwehr. Drei Defensivstrateginnen würden die taktischen Möglichkeiten Adomeits begrenzen, der stattdessen mit Nicole Struse, Elke Schall sowie Olga Nemes über allerlei Variationen verfügt. Souverän spazierte der Europameister in Bremen durch die schwere Vorrunden-Gruppe und das Halbfinale gegen Kroatien. „Qianhong Gotsch kann noch einige Jahre spielen“, ergänzt Adomeit, warum die 31-jährige Weltranglisten-Fünfte den Vorzug genießt. Jie Schöpp (32) ist zwar als 18. auf dem Globus derzeit acht Plätze schlechter notiert als Tian-Zörner, doch hatte sie bis zu ihrer gestrigen 21:9, 19:21, 16:21-Niederlage gegen die Ungarin Krisztina Todt eine phänomenale EM-Teambilanz von 31:0 Siegen.

Qianhong Gotsch entlockt man lediglich, dass Tian-Zörner für sie eine „ganz normale Gegnerin“ sei. Ihre Freundin und Doppelpartnerin Schöpp bekennt als Einzige des Trios Farbe: „Wir reden wenig mit ihr.“ Offensichtlich der Hauptgrund für die nicht ausgeräumte Rivalität: „Sie denkt, dass sie besser ist als ich und wegen mir nicht im Nationalteam spiele. Das nimmt sie mir übel“, so Schöpp. Zu ihrem Naturell würde es nicht passen, Ähnliches für ihre Landsfrau zu empfinden. „In China war sie sogar ein bisschen ein Vorbild von mir. Im Grunde genommen respektiere ich sie. So zielstrebig könnte ich in ihrem Alter nicht mehr sein“, erklärt die erfolgreichste deutsche Mannschaftsspielerin und verweist auf ihre weniger ehrgeizige Philosophie: „Ich bin ein leicht zufrieden zu stellender Mensch. Für Sportler mag das vielleicht schlecht sein, ich lebe aber glücklich.“

Die große Mauer des Schweigens: Im Individual-Wettbewerb schadet sie der DTTB-Auswahl erst recht nicht. Alle drei besitzen gute Aussichten auf ihren ersten Einzeltitel. Tian-Zörner vielleicht sogar mehr als Gotsch und Schöpp. Vor allem Letztere hatte sich bereits bei den vorherigen Europameisterschaften stets in den Team-Wettbewerben verausgabt. Einigkeit herrscht bei den drei Chinesinnen im deutschen Nationaltrikot nur bezüglich der Konkurrenz, die ihnen die Medaillen streitig machen könnte: Neben Batorfi und Toth die Kroatin Tamara Boros und Mihaela Steff. „Eine sehr starke Gegnerin“, befindet Tian-Zörner. Mit der Rumänin spielt sie in Bad Driburg – in einem Team.