: Glaubenskampf in der Wüste
Im sunnitischen Saudi-Arabien kommt es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der „Religionspolizei“ und der Minderheit der schiitischen Ismailiten
BERLIN taz ■ In Saudi-Arabien ist es am Montag zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Angehörigen der religiösen Minderheit der Ismailiten und der Polizei gekommen. Beide Seiten machten gestern unterschiedliche Angaben über Hergang und Opfer der Auseinandersetzung. Auffallend ist aber, dass die saudiarabischen Behörden erstmals offiziell einen Konflikt mit den zur islamischen Konfession der Schiiten zählenden Ismailiten einräumen. In der Vergangenheit waren derartige Zusammenstöße im sunnitisch-fundamentalistisch dominierten Königreich Saudi-Arabien stets vertuscht worden.
Der Anführer des ismailitischen Volksstammes Jam sagte gestern, die saudische „Religionspolizei“ hätte mehrere Moscheen der Ismailiten in der Provinz Nadschran an der Grenze zu Jemen gestürmt. Sie hätte Bücher und Manuskripte beschlagnahmt, die Moscheen geschlossen und drei Geistliche verhaftet. Anlass für die Aktion sei das Aschura-Fest gewesen, das die Ismailiten erstmals öffentlich in Saudi-Arabien zelebrierten. Bei einer anschließenden Demonstration sei es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, bei denen mindestens drei Polizisten und 40 Ismailiten getötet sowie 45 Demonstranten verletzt worden seien.
Die staatlich gelenkte saudische Presse stellte das Geschehen gestern anders dar. Nach der Festnahme eines als „Hexer“ bezeichneten Mannes sei es zu Unruhen gekommen, in deren Verlauf ein Polizist getötet und drei weitere verletzt worden seien. Die „Religionspolizei“ habe 30 Menschen verhaftet, die gegen die Festnahme des Mannes demonstriert hätten.
Das saudische Königshaus erlaubt ausschließlich die Praktizierung eines fundamentalistisch geprägten sunnitischen Islam. Der Schiismus, die andere große islamische Konfession, wird als Irrlehre verteufelt. Gläubige, die sich zum mystisch beeinflussten Schiismus bekennen, werden als Ketzer und „Hexer“ verfolgt. Für sie sieht das auf der Scharia, dem islamischen Recht, basierende saudische Strafrecht die Todesstrafe vor. In der Vergangenheit war es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen der saudischen „Religionspolizei“ und dem schiitisch-ismailitischen Volksstamm der Jam gekommen. Die 150.000 Angehörigen der Jam leben zu zwei Dritteln in Saudi-Arabien und zu einem Drittel im Nachbarland Jemen. Die saudischen Behörden werfen ihnen vor, die im Königreich streng verbotene jemenitische „Volksdroge“ Kat, einen berauschenden Kautabak, einzuschmuggeln. FLORIAN HARMS
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