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Orpheus lebt

Heute startet das Junge-Hunde-Festival für internationalen Tanz- und Theaternachwuchs. Ein Überblick über die erste Woche  ■ Von Marga Wolf

Vom 27. April bis zum 27. Mai findet zum achten Mal das „Junge Hunde“-Festival auf Kampnagel statt, das als Experimentierfeld und Präsentationsforum für neue Entwicklungen im Theater zunehmend Aufmerksamkeit erregt und für manchen der jungen Regisseure, Choreografen und Performancekünstler zum Karrieresprungbrett wurde. Einer der heute erfolgreichen, der Hamburger Regisseur Falk Richter, dessen Produktion Nothing Hurts in diesem Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen ist, hält denn auch die Eröffnungsrede.

Den Auftakt bestreitet, neben der Kampnagelproduktion Kodak Suite der Hamburger Regisseurin Anne Kersting (siehe unten), die Tanz- und Konzert Performance Joystick der norwegischen Gruppe Demodans. Überhaupt wird mit Gastspielen aus Norwegen, Italien und Großbritannien bereits in der ersten Festivalwoche eifrig am internationalen Netzwerk mit den dort ansässigen Produktionszentren geknüpft. Weiter leistet der Klub N+K verstärkt Beiträge zur experimentellen Klubkultur. Am 27. April geben dort Pia Burnett und Felix Kubin in einem Live-Konzert einen Vorgeschmack auf ihre im Sommer erscheinende Debuts. Zur Party am 29. April stellt sich DE:BUG, ein Berliner Magazin für elektronische Lebensaspekte, mit praktisch betriebener Klubforschung vor.

Dazu wird die norwegische Choreografin Eva-Cecilie Richardson mit Joystick sicherlich ebenfalls einen Beitrag leisten. In ihrem eigenwilligen Konzept aus Tanz und Live-Musik versucht sie ihren Stücken den Charakter visueller Konzerte zu verleihen. Mit dem Joystick als Versinnbildlichung von Ersatzbefriedigung thematisiert sie hier den Verlust des Greifbaren. Körper lösen sich in schneller Bewegung auf, sind nur noch Projektionsfläche für grelle Videobilder, die im unmittelbaren Dialog stehen mit der explosiven Live-Musik der Techno-Ambient-Band Sub Gud.

Unmittelbar und körperbetont geht es dagegen bei der Compagnie Protein Dance aus Großbritannien zu. Der aus Italien stammende Choreograf und Tänzer Luca Silvestrini und seine schweizer Partnerin Bettina Strickler sezieren in Duel absurde Alltäglichkeiten im schlagfertigen Partnerzwist. Die beiden trafen sich 1995 in London während ihres Studiums am renommierten Laban Centre for Movement and Dance, gründeten dort gemeinsam 1997 ihre sechsköpfige Compagnie.

Gruppenzwang und gesellschaftliche Konventionen versprechen sie in Portrait with Group and Duck scharfsinnig und mit subtilem Humor auf's Korn zu nehmen. Und das hört sich, trotz internationaler Besetzung, „very british“ an.

Orpheus als dunkler Rockstar der Zwischenwelten? So jedenfalls sieht die Theatergruppe Motus aus Rimini, Shootingstar der jungen, experimentellen, italienischen Theaterszene, die mythische Figur, frei nach Rilkes Sonetten an Orpheus, und widmet ihre installationsartige Inszenierung Orpheus Glance, stilisiert zwischen Kitsch und Trash, Jean Cocteau – und Nick Cave, laut Motus dem lebenden Orpheus.

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