: Startschuss zum Bremer Putzkolonnen-Protest
■ Die Gewerkschaft IG BAU warnt vor neuen Arbeitsverträgen bei Gebäudereinigern
Rund 70 Beschäftigte haben gestern den bundesweiten Protest gegen Tarifabsenkungen im Gebäudereiniger-Handwerk eingeleitet. Mit Wischmopps, Schrubbern und Trillerpfeifen bewaffnet versammelten sie sich vor der Handwerkskammer am Ansgarikirchhof, wo sie eine Kloschüssel mit künstlichen „Haufen“ drapierten. Nach der kurzen Protestkundgebung stürmten einige Putzfrauen den Kammer- und Innungssitz.
Seit die Arbeitgeber nach dem neuen 630-Mark-Gesetz auch für geringfügig Beschäftigte Anteile zur Sozialversicherung leisten müssen, ist die Branche in Unruhe. Für eine einjährige Übergangsfrist ließen sich die Gewerkschaften abhandeln, dass die Beiträge vom Lohn der überwiegend weiblichen Beschäftigten abgezogen werden, damit die Arbeitgeber sich über eine alternative Finanzierung Gedanken machen konnten. Die haben das auch getan, allerdings nicht in der erhofften Richtung: Die Bundes-Innung stimmte zwar einer Lohnerhöhung um zwei Prozent zum 1. Mai zu, kündigte aber zum gleichen Datum den Rahmentarifvertrag. In einem neuen Vertrag sollen die Arbeitnehmer erhebliche Verschlechterungen bei Sonderzahlungen und Urlaub hinnehmen. Die Arbeitgeber fordern den Wegfall von Erschwerniszulagen bei besonderen Verschmutzungen und extremen Temperaturen. Außerdem sollen das Weihnachtsgeld und zwei Wochen Urlaub geopfert werden.
Obwohl der gekündigte Tarifvertrag für die bisher Beschäftigten bis zu einem neuen Abschluss weiter gültig bleibt, versuchen Bremer Unternehmen derzeit, ihren Beschäftigten individuell neue Verträge zu eben diesen verschlechterten Bedingungen aufzudrängen. „Damit wollen die Arbeitgeber Tatsachen für die laufenden Tarifverhandlungen schaffen“, sagt Wolfgang Jägers, Geschäftsführer der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (BAU). BAU-Sekretär Matthias Hartwich nennt diese Praxis „zumindest unüblich“ – ob sie legal sei, bleibe noch zu klären. Auch Günter Dahlbeck, Geschäftsführer der Gebäudereiniger-Landesinnung, findet es „nicht in Ordnung“, derartig in laufende Verhandlungen einzugreifen. Durch eine Zwei-Klassen-Entlohnung in derselben Firma werde auch der „Betriebsfrieden“ gefährdet. Auch die Innungsvorsitzende Ellinor Piepenbrock-Führer rät davon ab. In ihrer ehemaligen Firma Piepenbrock dagegen werden Mitarbeiter zu den neuen Verträgen gedrängt, die gestiegenen Kosten aber gleichzeitig in voller Höhe von 24 Prozent auf die Auftraggeber abgewälzt. not
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