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Goetheguerilla gegen rechts

Die Kulturstadt Weimar rüstet sich, den geplanten Nazi-Aufmarsch zum 1. Mai „einfach wegzufeiern“. Beim Straßenfest wollen alle dabei sein – von der Antifa aus der „Gerberstraße“ bis zum OB, der den Versicherungsschutz für 30 Feste stellt

von FRITZ VON KLINGGRÄFF

Weimar, die Kulturstadt, will den erwarteten rechtsradikalen 1.-Mai-Marschierern einen speziellen „Empfang“ liefern. Am Bahnhof wird ein Berg von Pantoffeln aufgehäuft sein, darauf ein Schild mit der Aufschrift: „Wir bitten vor Begehung der Straßen die Stiefel gegen Hausschuhe auszutauschen“. Die Idee stammt von Studenten der Bauhaus-Universität. Sammeln aber wird die ganze 60.000-Einwohner-Stadt am heutigen Samstag, damit genug Schuhwerk zusammen kommt.

Die NPD hat zum 1.-Mai-Marsch in Weimar getrommelt. Die Stadt hat den Aufmarsch zwar verboten, über den Widerspruch der Rassistenpartei hatte das Verwaltungsgericht Weimar bis gestern aber noch nicht entschieden. Für die Klassikerstadt stellte sich also genau wie für die anderen potenziellen Aufmarschplätze, das hessische Wetzlar oder Grimma in Sachsen, die Frage: Wie die 750 Rechtsextremen angemessen empfangen, das heißt: abschrecken?

Seit Donnerstag steht die Devise: Eine Gegendemo, angeführt vom DGB – ansonsten wird gefeiert. Mit Konfetti und einer Stadtratssitzung am Bahnhof, mit Straßenmalerei und „Straßenfegern“ hinter dem NPD-Zug, mit Seifenkistenrennen und Transparenten will Weimar die Rechtsextremen empfangen. So lautet der Beschluss einer Goethe- und Spaßguerilla: sechzig Initiativenvertretern im Kulturzentrum „Mon ami“. Selbst der Versicherungsschutz für die rund dreißig Feste ist gesichert: Alle angemeldeten Inis seien „in dienstlicher Verpflichtung für die Stadt Weimar tätig“, übernahm Oberbürgermeister Volkhardt Germer die Pauschalpolice.

Kurz nach Bekanntwerden der NPD-Pläne hatten Thüringen zum Straßenfest mobil gemacht: „Die Nazis müssen begreifen: Sie laufen hier Spießruten“ sagte Volkhard Knigge, Direktor der nahe gelegenen Gedenkstätte Buchenwald, in der Thüringischen Landeszeitung. Hitlers Lieblingsstadt habe „symbolische Bedeutung“ – aber nicht nur für die Altnazis, verlangte die Thüringer Allgemeine, sich die Stadt zurückzuerobern. Und im Lokalsender „Lotte“ rief Kulturstadt-Weimar-Chef Bernd Kauffmann auf, die NPD-Demo „einfach mit 30.000 Menschen wegzufeiern“.

Mit der Idee einer Fete gegen rechts war zuvor schon ein „Organisationskomitee Straßenfest“ auf offene Ohren gestoßen. „Die Straßenfest-Idee war von Anbeginn ein Allparteienbeschluss“, betonte Michel Brehm, PDS-Stadtrat und einer der Initiatoren. Selbst die „Gerberstraße“, das Sozio-Kultur-Zentrum der Autonomen, unterstützt das Straßenfest. Die Autonomen halten zwar prinzipiell weiter an ihrem Antifa-Sport fest: „Laut brüllen, weit werfen und schnell rennen.“ Für den 1. Mai in Weimar aber empfehlen sie schlicht: Feiern, bis die Rechten gehen.

„Da ist durchaus die ganze Stadt beteiligt“, schätzt Rikola Lüdgenau aus der Gedenkstätte die Teilnahmebereitschaft an Goethe-Guerilla-Aktionen ein. Angelo Lucifero, Thüringer HBV-Chef, meinte sogar: „Das, was die Stadt hier vorhat, könnte Vorbildcharakter für einen neuen Umgang mit den Rechten haben.“

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