Mit dem Glücksschwein durchs Weltall

Kein Trash, sondern liebevolle Übersetzung im Sinne Walter Benjamins: Klaus Beyer, der freundlichste aller Beatles-Interpreten, singt heute Abend im Bastard

Vor dreißig Jahren, Anfang Mai 1970, als Paul, George, John und Ringo schon dabei waren, eigene Wege zu gehen, erschien ihre letzte offizielle Langspielplatte: „Let It Be“. In der Rangliste der größten Beatles-Platten belegt „Let It Be“ nur einen Mittelplatz. Unter den „Let It Be“-Geigen und Trompeten und einigen kleinen lustigen Song-Intro-Wortwechseln, die Entspanntheit signalisieren sollten, wo die Trennung doch längst beschlossen war, liegt allerdings so eine gewisse Brüchigkeit, die den unumstrittenen Beatles-Meisterwerken abgeht („Help“, „Sergeant Pepper’s“, „White Album“).

Diese Brüchigkeit unter rosaroten Geigen, das Lächeln hinter dem painted smile sozusagen, machte „Let It Be“ zu einer tollen Vorlage für den Berliner Beatles-Interpreten Klaus Beyer, der die Texte mit Hilfe eines Wörterbuchs übersetzt hat und das komplette Album allein und live heute Abend im Bastard im Prater in der Kastanienallee darbieten wird. Wie immer hat der 45-jährige gelernte Kerzendreher, der am Kottbuser Tor in einer schon etwas älteren Neubauwohnung wohnt und vor dreißig Jahren in der Radiosendung „Schlager der Woche“ die Musik der „Fab Four“ entdeckte, für seinen Auftritt die Musikpassagen der Beatles-Songs auf Band zusammengeschnitten und dabei Lücken gelassen, in denen er dann singen kann. Dass Beyer, der im letzten Herbst viel mit Schlingensief unterwegs war, seit einem Jahr Gesangsunterricht nimmt, merkt man durchaus. Es wird die „Fans“ abschrecken, die ihn als Trashstar missverstanden haben.

Klaus Beyer ist schon ziemlich gut, spätestens seit er das „Yellow Submarine“-Album nicht nur neu auf Deutsch eingespielt, sondern auch alle Songs auf Super-8 verfilmt hat, und nicht erst, seitdem „Die Glatze“ ab und an auf MTV läuft. Wer die Beatles-Songs liebt, wird den Enthusiasmus seiner komplizierten Basteleien zu schätzen wissen. Und wer sich mal mit den Übersetzungstheorien Walter Benjamins beschäftigt hat, den werden Klaus Beyers Übersetzungen überzeugen: Aus „I've Got A Feeling“ wurde „Ich hab Gefühle“, aus „Dig A Pony“ „Lass das Glücksschwein“. Im Refrain von „Im Weltall kreuz und quer“ entschied sich Klaus Beyer für die eher subjektive Lesart des Refrains und übersetzte „Nothing's gonna change my world“ in: „Du änderst doch nicht die Welt“. Besonders schön sind die verspielt-lockeren Intros. Vor allem die Gesprächspassage am Anfang vor „Get Back“, die er zusammen mit seinem Manager, dem „Mutter“-Bassisten und Filmemacher Frank Behncke, einspricht. Klingt Klasse:

Klaus: „Jetzt kommt Loretta. Kennt ihr noch Loretta?“ Frank: „Nein.“ Klaus: „Sweet Loretta Martin?“ Frank: Ja der kommt mir bekannt vor.“ Klaus: „Oder Jojo?“ Frank: „Ach ja (beginnt zu singen): „Jojo was a man and thought he was a loner . . . Klaus: „Das ist es!“ Frank: „Sehr schön.“ Klaus: „Und das mach ich jetzt mal auf Deutsch.“ Frank: „Sehr schön, prima!“ Klaus: „Habt ihr das schon mal auf Deutsch gehört?“ Frank: „Noch nie! Klaus: „Na gut. Los geht’s!“ Frank: „Au gut. Ich freu mich drauf . . .“ Klaus: „Jojo dachte nur, er wär ein Einzelgänger, deshalb wollte er auch fliehen / Jojos Heimatland, das hielt ihn nicht mehr länger, wollt nach Kalifornien ziehen . . .“ Klasse!

Der Abend mit Klaus Beyer, dem freundlichsten Berliner und Spiritus Rector jeder Wohnzimmermusik, wird ein schöner Abend werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil seine Fans sehr sympathisch sind. Am Ende werden alle mit Luftballons um sich werfen, einander glückstrunken an den Händen halten und „Wir leben alle in dem gelben Unterwasserboot“ singen.

DETLEF KUHLBRODT

Beatles-Jubiläumskonzert und RecordRelease: nur heute, 22 Uhr, im Bastard, Prater, Kastanienallee 7–9, Mitte