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Kampferprobt

Der neue Oberkommandierende der Nato-Streitkräfte in Europa, Joseph W. Ralston, ist erst der zweite Luftwaffengeneral auf diesem Posten

Bald 50 Jahre ist es her, dass ein General der US-Luftwaffe Oberkommandierender der Nato wurde. Es war 1956, als Präsident Dwight D. Eisenhower General Lauris Norstad ernannte. Damals stand Eisenhower noch unter dem Eindruck der Luftbrücke und der herausragenden Rolle, die Amerikas Luftwaffe in den Anfängen des Kalten Kriegs spielte. Die jetzige Ernennung von General Joseph Ralston zum Oberbefehlshaber der Nato in Europa spiegelt die wachsende Bedeutung des Luftkrieges wider. „Die klassische Form der Kriegsführung im 20. Jahrhundert, bei der wir Bodentruppen in den Kampf warfen, die aus der Luft und von der See her unterstützt wurden, ist offenbar nicht mehr unsere bevorzugte Strategie“, sagte der pensionierte Luftwaffengeneral John A. Shaud gegenüber der Washington Post.

Ralston löst General Clark ab, der als Angehöriger der Infanterie im Kosovo den ersten Krieg neuen Typs führte, der aus der Luft gewonnen werden musste, und prompt in die Schusslinie der Kritik geriet. Die Wunderwaffe der Armee, die Apache-Hubschrauber, kam bekanntlich erst gar nicht zum Einsatz. Die US-Soldaten selbst zeigten sich mit der Armeeführung unzufrieden, wie eine im April vorgelegte Pentagon-Studie belegt: Die Soldaten warfen der Führung Mangel an Ideen und Rückgrat sowie zu ängstliches Vorgehen bei ihrer Mission im Kosovo vor.

Der amerikanischen Öffentlichkeit sind Generäle in der Regel nur als Kriegshelden bekannt – dafür stehen Namen wie Eisenhower, McArthur oder Schwarzkopf. Das gilt für Ralston höchstens bedingt. Öffentlich bekannt wurde Ralston wegen der Verwicklung in einen Skandal. Eigentlich hätte der General 1997 Generalstabschef werden sollen. Er musste aber seine Kandidatur zurückziehen, als ruchbar wurde, dass er 13 Jahre zuvor eine außereheliche Affäre mit einer CIA-Angestellten gehabt hatte. Die wäre ihm kaum zum Verhängnis geworden, wenn die Öffentlichkeit nicht gerade mit der Affäre der Bomberpilotin Kelly Flinn beschäftigt gewesen wäre, die sich an ihrem Standort mit einem verheirateten Mann eingelassen und deswegen von der Luftwaffe gemaßregelt worden war. Ralston war als Armeechef in dieser Situation nicht mehr zu verkaufen.

Auf seinem neuen Posten unterstehen Ralston nicht nur die Streitkräfte der Nato von der Nordspitze Norwegens bis zur Ostgrenze der Türkei. Auch die Friedenstruppen auf dem Balkan aus 30 Nationen hat er unter seinem Kommando. Ralston steht vor der Frage, wie Kriege im 21. Jahrhundert mit einer modernisierten Nato geführt werden können und sollen. PETER TAUTFEST

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