: Polizisten wollen aktiver werden
Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert mehr Kompetenzen bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung. Unterschiedliche Zuständigkeiten von Zoll, Arbeitsamt und Polizei erschweren die Verfolgung auf Baustellen
aus LoburgLUKAS WALLRAFF
Der äußere Rahmen war idyllisch, die Thematik ernst: Auf einer dreitägigen Veranstaltung im schmucken Waldschlösschen Wendgräben bei Loburg in Sachsen-Anhalt berichtete der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in dieser Woche über die seiner Meinung nach drängendsten Probleme bei der „Verbrechensbekämpfung in Deutschland“.
Neben den fast schon obligatorischen Warnungen vor den Gefahren der offenen Grenzen und der EU-Osterweiterung stellten die Beamten konkrete Forderungen. So verlangte der BDK gestern mehr Kompetenzen für die Polizei bei der Bekämpfung der Kriminalität. Das Hauptaugenmerk legte der BDK auf die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Ausländern, die vor allem im Baugewerbe gang und gäbe ist.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums gehen dem Fiskus durch illegale Beschäftigung jährlich insgesamt 150 Milliarden Mark an Steuereinnahmen durch die Lappen. Weitere 110 Milliarden Mark fehlen in den Kassen der Sozialversicherungen. Schätzungen zufolge gehen durch die Schwarzarbeit außerdem etwa 500.000 legale Arbeitsplätze verloren. Wie groß der volkswirtschaftliche Gesamtschaden durch die illegale Beschäftigung von Ausländern ist, sei „nur schwer seriös zu beziffern“, sagte BDK-Vize Holger Bernsee gestern. Sicher sei jedoch, dass das Problem durch die durchlässigen Grenzen nach Osten stark zugenommen habe.
Bernsee hat damit täglich zu tun, er leitet die Berliner „Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit“. Vielleicht weil der BDK nicht gerade im Rufe steht, eine Menschenrechtsorganisation zu sein, die sich für die Rechte unterdrückter Ausländer stark macht, betonte Bernsee ausdrücklich, dass es ihm keineswegs nur darum geht, den deutschen Staat vor Betrügern und Steuerhinterziehern zu schützen. Seine Sorge gilt auch den betroffenen Billigarbeitern aus Osteuropa, denn: „Was da abläuft, ist schlimmste Sklavenhaltung.“
Nach wie vor beschäftigten deutsche Baufirmen eingeschleuste Osteuropäer zu Hungerlöhnen. „Für einen Weißrussen ist es eben attraktiv, für 3,50 Mark die Stunde zu arbeiten“, erklärte Bernsee, „doch er hat keinerlei Rechte. Wenn er Pech hat, bekommt er nicht einmal das bisschen Geld.“ Wenn sie versuchen, diese Missstände zu beheben, fühlen sich auch die Kriminalbeamten hilflos. Denn für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung sind in erster Linie zwei andere Behörden zuständig: die Bundesanstalt für Arbeit und der Zoll, und dann erst die Polizei. Bernsee beklagte das „unübersichtliche Konglomerat“ verschiedenster Zuständigkeiten.
Der BDK fordert deshalb „einen klaren gesetzlichen Auftrag an die Polizei zur zielgerichteten Bekämpfung der illegalen Beschäftigung“. Bisher darf die Polizei keine eigenen Kontrollen auf Baustellen durchführen. Auch auf die Daten der Bundesanstalt für Arbeit haben die ermittelnden Beamten meist keinen Zugriff. All das müsse sich ändern. Es sei „völlig antiquiert und untauglich“, dass in erster Linie die Bundesanstalt mit mehr oder weniger gezielten Baustellenkontrollen und der Verhängung von Bußgeldern an der Spitze der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung stehe.
Der BDK sieht darin vielmehr eine Aufgabe der Polizei, weil es nur auf den ersten Blick um Ordnungswidrigkeiten gehe: „Dahinter steckt organisierte Kriminalität.“ Um die steinreichen Hintermänner dingfest machen zu können, will der BDK deshalb schon auf den Baustellen ermitteln und eingreifen können.
Polizeiliches Verfolgungsziel müsse vor allem die Schleuser- und Vermittlerebene sein. Und die Großunternehmer: Der BDK möchte verhindern, dass die großen Firmen die Verantwortung auf zahlreiche Subunternehmer abwälzen können. Bernsee forderte deshalb die Einführung einer Generalunternehmerhaftung. Das bedeutet: Wenn ein illegal Beschäftigter angetroffen wird, müsse sofort die Baufirma vor Ort zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar am besten gleich von der Polizei.
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