: Rot-Grün gibt freie Fahrt für Sommersmog
Die Bundesregierung verschläft eine Sommersmogverordnung. Das Gesetzespaket zu „Umwelt und Gesundheit“ wird frühestens im Herbst den Bundesrat passieren. Wenn es nicht an den CDU-geführten Ländern scheitert. Widerstand von Wirtschafts- und Verkehrsministerium ist garantiert
BERLIN taz ■ Dieses Jahr gibt’s keine Maßnahmen gegen Sommersmog. Nicht, weil es keinen Smog gäbe. Aber die Regierung wird ihre Ozon-Verordnung wohl nicht mehr rechtzeitig zu Stande kriegen.
Seit Jahren war bekannt, dass die Sommersmogverordnung der alten Bundesregierung Ende 1999 auslaufen würde. Doch die neue Bestimmung, an der die Bundesregierung arbeitet, wird voraussichtlich erst im Herbst in Kraft treten. Dann ist der Sommersmog längst vorbei. Selbst ein Sprecher des Umweltministeriums räumt ein, dass ein Inkrafttreten der neuen Verordnung noch vor dem Herbst „schwierig wird“. Denn: Sollte das Kabinett die Vorlage absegnen, müsste sie noch den Bundesrat passieren. Das dauert im günstigsten Fall etwa zehn Wochen.
Geplant ist bislang ein Gesamtpaket „Umwelt und Gesundheit“, das die neue Ozonregelung beinhalten soll. Das zuständige Bundesumweltministerium wird nächsten Donnerstag dazu ein Konzeptpapier vorlegen, das auf einem Fraktionsbeschluss der Grünen basiert. Es sieht Fahrverbote und Tempolimits vor: rote Tücher für Verkehrsminister Reinhard Klimmt und Wirtschaftsminister Werner Müller. Klimmts Widerstand gilt als gebucht, da er am vergangenen Wochenende bereits generelle Tempolimits abgelehnt hat und eher auf umweltverträglichere Kraftstoffe setzt.
Auch mit Widerstand der unionsgeführten Länder ist zu rechnen. Das bayrische Umweltministerium kritisierte ein Tempolimit sogar als „Unsinn“ und „plakative Lösung“.
Urheber des Grünen-Fraktionsbeschlusses ist der Grüne Winfried Hermann, stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses des Bundestages. Weil Trittin nicht in die Pötte kam, ist Hermann seinem Minister zuvorgekommen. Vergangenen Monat ging er mit einem Strategiepapier zur Bekämpfung des Sommersmogs an die Öffentlichkeit. Es sieht vor, die Bevölkerung bei bereits 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zu warnen. Wird bei einem Viertel aller Messstationen ein Wert von 180 Mikrogramm für die nächsten zwei Tage vorausgesagt, dann gilt für Autos ohne Katalysator ein Fahrverbot. Autos mit Kat dürfen fahren, aber langsamer: 100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Zusätzlich sollen weder Benzin-Rasenmäher noch lösungsmittelhaltige Stoffe verwendet werden. Mit diesem Katalog möchten die Grünen die Ozonbelastung so weit senken, dass Deutschland die von der EU bis 2010 vorgesehen Richtlinie erfüllen kann. Danach solle ein Ozonwert von 120 Mikrogramm innerhalb von drei Jahren nicht öfter als 60-mal überschritten werden. Solange gilt eine EU-Richtlinie von 1992. Die weist die Behörden lediglich an, die Bevölkerung bei 180 Mikrogramm zu informieren und bei 240 Mikrogramm zu alarmieren. PETER MICHAEL SCHNEIDER
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