piwik no script img

Ohne Pappkulisse

Gewohntes Soap-Geplätscher im „GZSZ“-Spin-off „Großstadtträume“ (heute um 20.15 Uhr auf RTL)

Waren das noch Zeiten, als ganze Teenagerscharen auf den heimischen Bildschirmen das bunte Geschehen in der amerikanischen Schickimicki-Soap „Beverly Hills, 90210“ bei RTL verfolgten. Glamour und Intrigen, Geld und Beziehungskrisen – fast wie einst in „Dallas“ oder „Denver“, nur eben für ein deutlich jüngeres Zielpublikum. Irgendwann kam Produzent Aaron Spelling auf die glorreiche Idee, auch den Twentysomethings einen schönen Fernsehabend zu bescheren, und erfand „Melrose Place“. Dort wurden die dem Serienbruder entwachsenen Protagonisten, der seinerseits mit neuen Charakteren rechtzeitig vor Absinken der Einschaltquoten immer wieder facegeliftet wurde, in anderem Umfeld aufgewärmt und im Zuge der Darstellung ähnlich irrelevanter Alltagsproblemchen weiterverbraten. Diesmal durften aber nur die Älteren zuschauen.

Was in Amerika gut läuft, hat ja oft auch in Deutschland nicht unbedingt gleich schlechte Karten. Längst konnte RTL mit „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ seine eigene erfolgreiche Teenie-Soap im Vorabendprogramm etablieren, höchste Zeit also für ein deutsches „Melrose Place“. Ebendieses spielt – wie sollte es anders sein? – in Berlin, nennt sich verheißungsvoll „Großstadtträume“ und feiert am heutigen Abend zur besten Sendezeit (um 20.15 Uhr) Premiere.

Besonderheit des Seifen-Spin-offs: Die bereits aus dem Dauerbrenner „GZSZ“ bekannten Charaktere Tina Zimmermann, Milla Engel und Philip Krüger werden für die Serie rund um die Redaktion des Lifestyle-Magazins Pool wieder belebt. „Großstadtträume“ ist der erste Serienableger des Kölner Privatsenders. In den USA bereits als übliches Verfahren zur Zuschauerbindung an neue Serien bekannt, ist die Idee in Deutschland bisher noch weitgehend neu.

Und tatsächlich: Die Kulissen der „Großstadtträume“ sehen etwas weniger nach Pappstellwand aus, als der Zuschauer das aus „GZSZ“ gewohnt ist. Das Seifenprinzip ist jedoch immer noch dasselbe: Streiten im Büro, Plaudern im Szenecafé oder heimliches Knutschen im Zimmer des Chefs. Sogar der dem Genre unverzichtbar gewordene Cliffhanger am Ende einer jeden Folge ist übernommen worden. Nichts Neues also in der zukünftig wöchentlich ausgestrahlten Hauptstadt-Soap, die wie „Unter uns“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ von Grundy/UFA TV produziert wird. Fans des Vorbilds werden dadurch allemal auf ihre Kosten kommen.

„Großartige Geschichten um Karriere und Erotik, Szene und Clubleben, Sport und Lifestyle und Menschen um die 30“ verspricht RTL den Zuschauern von „Großstadtträume“ und liefert am Ende doch nur altbewährte Soap-Klischees. Eigentlich ist dies keine Überraschung. Abzuwarten bleibt lediglich, wann die Kölner ihr Interesse am rüstigen Alter entdecken und Protagonisten aus den dann vielleicht bereits etablierten „Großstadträumen“ in einem weiteren Spin-off für Menschen jenseits der 70 auftreten lassen. Also: Wir warten gespannt auf „Rollstuhlromantik“ oder „Das Kukidentkonglomerat“. Wer weiß schon, was die Fernsehzukunft bringen wird.

PEER SCHADER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen