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Ficken statt poppen

■ Die Vorschau: Das Kabarettistinnenduo „Missfits“ demonstriert ab Mittwoch, dass das Ruhrpottidiom bei den Themen „Sex“ und „Innere Sicherheit“ unverzichtbar ist

Vorgeblich kultivierte Menschen würden wahrscheinlich sagen, die „Kinder statt Inder“-Kampag-ne der CDU in Nordrhein-Westfalen gegen die Green Card für ausländische Computerexper-tInnen sei inakzeptabel. Sie appelliere an niedere Instikte im Menschen, spiele in fataler Weise die Entrechteten dieser Erde gegeneinander aus und bewege sich generell jenseits des tolerierbaren demokratischen Diskurses, den eine Zivilgesellschaft doch kennzeichne.

Sicher, das könnte man so sagen. Man könnte sich aber auch des Sprachgebrauchs von Gerburg Jahnke und Stephanie Überall bedienen und sagen, die CDU-Kampagne ist schlicht und einfach „scheiße“. So, wie das Kabarett-Duo aus dem Ruhrpott auch „ficken“ sagt, wo „ficken“ gemeint ist. Und daher nie auf die Idee käme, „poppen“ statt „ficken“ zu sagen. Denn „poppen“, verkündet Gerburg Jahnke im neuen Missfits-Programm „Mit Sicherheit“, sei doch nur eine Entwicklungsstufe des Mais auf dem Weg zum Popcorn. Und damit unbezweifelbar eben nicht dasselbe wie „ficken“.

Zart besaitete Seelen mögen nun einwenden, derartigen Begriffen hafte etwas Rohes an und sie entbehrten aller nuancierten Zwischentöne. Gerade ihnen aber sei hier der Besuch des dreitägigen Missfits-Gastspiels im Modernes besonders ans Herz gelegt. Denn diese Ruhrpottdamen führen selbst vorgeblich kultivierten Menschen vor Augen, dass nicht nur dem Wort „Scheiße“ bei richtiger Betonung Differenzierungen innewohnen, die durchaus einen erschöpfenden und intellektuell anregenden Diskurs über jeden Sachverhalt der modernen Welt erlauben.

Die „Missfits“ belegen das mit Vorliebe anhand von witzgewaltigen Exkursen zu den Themen „Sex“ und „Männer“. Dank äußerst erfolgreicher, einschlägig ausgezeichneter Programme haben sich die beiden in den letzten zehn Jahren zu ausgewiesenen Expertinnen auf diesen Gebieten gemausert. Vom Schwitzwasser unter dem Lederstring über die Buschbehaarung auf Männerrücken bis hin zum präkoitalen Kampf mit den Druccknöpfen des Bodys bleibt kein Tabu unberührt.

Hinzu kommen neuerdings kundige Ausflüge ins Problemfeld „Innere Sicherheit“. Die Verdauungsprobleme von Einbrechern kommen da ebenso zur Sprache wie die Frage nach der richtigen kriminellen Lebensplanung. Wo blöde Männer nämlich noch angestrengt Privatwohnungen durchwühlen, hat die kluge Frau längst die Vorzüge des Kaufhausdiebstahls entdeckt. Dort nämlich liegt die Beute bereits nach Größe sortiert herum.

zott

Die drei Auftritte der Missfits (10-12. Mai, 20 Uhr, Modernes) sind bereits ausverkauft. Da hilft nur eines: Laut und nuanciert „Scheiße“ rufen. Oder frühzeitig vor dem Modernes rumlungern und darauf hoffen, dass es dem einen oder der anderen KartenbesitzerIn scheiße geht und somit froh wäre, die scheiß Eintrittskarten spontan wieder loszuwerden.

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