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Die Dreckschleuder

„Hallo, ihr Höschenschnüffler und Perversen!“: James Ellroy attackiert mit den Erzählungen „Hollywood. Nachtstücke“ einmal mehr die Sprachkonventionen der Political Correctness

von VOLKER MARQUARDT

Von Selbstinszenierungen versteht James Ellroy etwas. In einer gediegenen Londoner Buchhandlung begrüßte er sein Publikum schon mal mit einer Art Bellen: „Uao, Uua, Uao. Hallo, ihr Höschenschnüffler und Perversen.“ Später leitete er dann die blöderen Fragen aus dem Auditorium umgehend an seinen neben dem Lesepult kauernden Bullterrier weiter, der sich in den Teppich verbissen hatte.

Uao, Uao, Uao. That’s Entertainment! Ob er sympathisch wirkt oder nicht, ist dem Mann mit dem Oberlippenbart völlig egal, Hauptsache, seine Provokationen sichern ihm ein wenig Aufmerksamkeit. Wie bei der Oscar-Verleihung für die Verfilmung seines Romans „L. A. Confidential“, als er neben Kim Basinger im Kilt auftrat.

Auch seine Texte funktionieren so. Natürlich attackiert Ellroy auch in „Hollywood. Nachtstücke“ – einer Sammlung von Erzählungen von 1994, die endlich übersetzt wurde – die Sprachkonventionen der Political Correctness, wo er nur kann. Auf einer einzigen Seite ist da von „Schokos, Kanakerkarre, Negernippel, Mexenbraut, Schlitzaugen“ und „Fotze“ die Rede – solche Signalwörter leuchten regelrecht durch Ellroys Text. Noch greller im Original, das voller kaum übersetzbarer Schimpfwörter für Minderheiten steckt, von denen unsereins noch nie gehört hat.

Kein Wunder, dass viele Leute James Ellroy für einen Rassisten halten, „für eine Dreckschleuder, eine antischwule, antisemitische, antilateinamerikanische Sau“ (Selbsteinschätzung). Doch damit meinen sie immer auch seine Figuren. Denn mit dem provokativen Personal – da ist James Ellroy ganz düsterer Popstar – will er den allzu bequemen Konsens stören. „Ich will ambivalente Reaktionen auslösen“, diktierte er dem SZ-Magazin. Der Leser soll sich mit Drecksäcken identifizieren und sich selbst für einen Drecksack halten. Ein Drecksack wie der heruntergekommene Akkordeonspieler Dick Contino, der Frauen nur auf die Titten glotzt und seine eigene Entführung inszeniert, um wieder in die Schlagzeilen zu kommen.

Wenn aber diese Eröffnungsgeschichte der „Nachtstücke“ nach einer ausgesprochen unglaubwürdigen Verfolgungsjagd tatsächlich glücklich endet, ist man Ellroys fake realism wieder einmal auf den Leim gegangen – vor allem dem letzten Satz: „Das ist eine wahre Geschichte“. Wie immer bei Ellroy entsteht der Thrill also aus dem Vexierspiel aus Facts und Fiction – spätestens seit der härteste unter den Hardboiled-Autoren immer wieder davon erzählt, wie ihn seine Mutter zur Literatur gebracht hat: „Als ich zehn war, wurde meine Mutter ermordet. Ein Kerl schnappte sie in einer Bar auf, erwürgte sie und warf ihren Körper in die Büsche eines elenden Vororts von L. A. Seit diesem Zeitpunkt war ich besessen von Kriminalromanen.“ Bis heute wurde der Fall nicht aufgeklärt, und bis heute kreisen alle Romane des Sohns um dieses dunkle Zentrum.

Im Vorwort der „Nachtstücke“ demonstriert er noch einmal, wie er aus dieser „Vergangenheit Geld macht“, wie der Sound von Dick Contino auf die Erinnerungsspur zu seiner toten Mutter führt und wie er die 50er-Jahre in Gesprächen mit dem heute längst vergessenen Musiker neu erfindet. Ein wenig kann man so dem enigmatischen Einzelgänger über die Schulter schauen. Oder spielt er wieder nur ein bisschen?

Diesmal endet sein Spiel allerdings zu früh. Denn gerade als die monströse Welt aus Lügen, Mord und Intrigen erneut aufgebaut ist, läuft die Geschichte des Akkordeonspielers auch schon aus. Die kurze Distanz – das wird bei den folgenden Erzählungen über ein „Negerviertel“, über korrupte Polizisten und einen Mafia-Leibwächter noch deutlicher – ist nicht wirklich seine Sache. Hier gelingt es Ellroy, anders als in seinem L. A-Quartett („Schwarze Dahlie“, „Blutschatten“, „Stadt der Teufel“, „White Jazz“), weniger überzeugend, die dunkle Seite des amerikanischen Traums zu inszenieren. Hier laufen seine Stakkato-Sätze ins Leere, anstatt Tempo zu machen.

Erst wenn ein Ex-Sträfling in „Ein kleines Glück“ beauftragt wird, die Villa einer frisch verstorbenen Unterweltgröße zu beaufsichtigen, der seinem Hund 15 Millionen Dollar vermacht hat, steigern sich die Absurditäten wieder zu einem filmreifen Showdown. Vor allem aber ist hier auch einmal von positiven Gefühlen die Rede, von Zuneigung oder gar Liebe. Das alles empfindet der Hauswart gegenüber Basko, dem verwöhnten weißen Bullterrier, der am liebsten Kaviar frisst und nur schlafen kann, wenn man ihm einen 100 Jahre alten Brandy mit Honig einflößt. Wenn das kein Glück ist!

„Jetzt muss ich nur noch ein Mädel finden, dem es egal ist, dass ich einen Bullterrier mehr liebe als sie“, heißt es an einer Stelle. Oua, Oua, Oua. Wuff, wuff. Können Hunde eigentlich lachen?

James Ellroy: „Hollywood. Nachtstücke“. Aus dem Amerikanischen von Thomas Mohr. Hoffmann und Campe, Hamburg 2000, 240 Seiten, 36 DM

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