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Kunzelmanns Eieruhr ist abgelaufen

Am Samstag wird der Altkommunarde und Eierwerfer das Gefängnis nach zehn Monaten verlassen

In wenigen Tagen werden die „wahren Zustände“ in der Justizvollzugsanstalt Tegel ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Am Samstag Morgen um 10 Uhr öffnen sich für den Altkommunarden Dieter Kunzelmann die Gefängnistore in Tegel. Dann hat der 60-Jährige seine zehnmonatige Haftstrafe wegen zwei Eierwürfen auf den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) abgesessen. Als Kunzelmann an seinem 60. Geburtstag am 14. Juli vergangenen Jahres nach einem Fest im Mehringhof seine Haftstrafe antrat, hatte er eine „Knastinspektion“ angekündigt.

Man darf gespannt sein, wie er Tegel erlebt hat. Denn zwischen 1970 und 1975 saß der Mitbegründer der Kommune 1 schon einmal in Berlins ältestem Gefängnis – wegen des Vorwurfs des Mordversuches und unschuldig, wie sich später herausstellte. Seine Verurteilung wegen eines nicht gezündeten Brandsatzes auf dem Juristenball wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben und Kunzelmann wurde mit zehn Mark pro Hafttag entschädigt. Nach Angaben seines Anwalts, Hans-Joachim Ehrig, will Kunzelmann am Samstag „ein kleines Spektakel“ vor dem Gefängnis und anschließend ein Picknick am Flughafensee veranstalten. Des weiteren habe er angekündigt, die Zustände in Tegel „öffentlich zu artikulieren“.

Kunzelmann, der vor seinem Haftantritt ein Jahr untergetaucht war, hatte es auch aus dem Knast heraus geschafft, von sich reden zu machen. Als er während eines Hafturlaubs an der Feier für den symbolischen Baubeginn des Holocaust-Mahnmals teilnahm, wurde er festgenommen, weil er damit gegen die Auflage der Justiz verstieß, sich nicht auf öffentlichen Veranstaltungen blicken zu lassen.

Leider sind die Zeiten spektakulärer Eierwürfe à la Kunzelmann längst vorbei. Auf dem Campusfest zum 5. Hochschultag der Fachhochschule Brandenburg am 23. Juni wird es einen „Eiergeschicklichkeitszielweitwurfundfangspaß“ geben, bei dem ein rohes Ei über eine größtmögliche Distanz durch die Luft geworfen und heil wieder aufgefangen werden muss – Professoren sollen nicht getroffen werden. Pressereferentin Aurora-Angelina Miano versicherte, dass Kunzelmann nicht als Inspirator fungiert habe. „Wir sind nicht auf Ideengeber angewiesen“, sagte sie und verwies auf die lange Tradition von „Eieraufläufen“ auf dem Campusfest.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

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