: Die Stölzl-Naumann-Show
Staatsminister und Senator treffen sich heute vor dem Kulturausschuss des Bundestags. Weil Naumann die Berliner Intransparenz leid ist, will er sieben Institutionen ganz übernehmen
von RALPH BOLLMANN
Heute ist im Bundestag der Tag des großen Kultur-Showdowns. Der Staatsminister des Bundes und der Berliner Kultursenator werden dem Kulturausschuss des Parlaments Rede und Antwort stehen. Warm gelaufen haben sich beide schon: Michael Naumann (SPD) hat seine Ideen den Abgeordneten schon vor Wochen schriftlich zugestellt, Christoph Stölzl (parteilos) durfte schon am Montag vor den Berliner Landtagsabgeordneten referieren.
Doch während die höflichen Nachfragen im Landesparlament den neuen Kultursenator nicht aus den luftigen Höhen wolkiger Unverbindlichkeit holen konnten, wird sich Stölzl heute Nachmittag schon wärmer anziehen müssen. Denn die Bundespolitiker sind es längst leid. die in München oder Düsseldorf hart erarbeiteten Millionen im Berliner Sumpf verschwinden zu sehen.
Vergleichsweise harmlos ist da noch Naumanns Vorwurf, die Bundesgelder seien im Berliner Haushalt einfach verschwunden. Es stimmt zwar, dass der Kulturetat des Landes nicht gestiegen ist – obwohl der Bund zunächst 60, dann 120 und schließlich 100 Millionen Mark pro Jahr zugeschossen hat. Ebenso offenkundig ist aber, dass das Land seine Kulturausgaben ohne diese Hilfen gesenkt hätte. So gesehen, sind die Millionen also doch in der Kultur angekommen.
Schwerer wiegt da schon, dass die Berliner Senatoren dem Staatsminister nie so recht erklären konnten, welche Theater oder Museen, Orchester oder Festivals eigentlich in den Genuss seines Geldes kamen. Artig bedankten sich die Intendanten, mit denen sich Naumann zum Essen traf, für die Aufnahme in den erlauchten Kreis der vom Bund geförderten „Leuchttürme“ – und wunderten sich, dass sich der Mann aus dem Kanzleramt über derlei Dankbarkeit nicht freute. Das Geheimnis: Der frühere Kultursenator Peter Radunski (CDU) hatte das Prädikat freihändig verteilt, ohne den Leuchtturmwärter Naumann überhaupt zu fragen.
Nicht weniger verwundert sind die Kultur- und Finanzpolitiker des Bundes über die Nachlässigkeit, mit der in der einstigen Mauerstadt noch heute über Bauprojekte entschieden wird. Ganz gleich, ob Jüdisches Museum oder „Topographie des Terrors“: Die Kosten wurden bewusst heruntergerechnet, um die Projekte erst einmal über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Jetzt stellt sich heraus: Die Pläne für die „Topographie“ sprengen den Kostenrahmen erheblich, im Jüdischen Museum reicht die Klimatechnik nicht aus. In beiden Fällen soll der Bund nun einspringen. „Gesamtstaatliche Verantwortung“, heißt das im Berliner Jargon.
Kein Wunder also, dass sich der Bund in das Berliner Dickicht aus Lotto-Mitteln, Bemühenszusagen und Bauskandalen gar nicht mehr begeben mag. Deshalb will der Staatsminister sieben Einrichtungen ganz übernehmen – darunter auch die Philharmoniker, deren Finanzen ganz unberlinerisch solide sind. Doch schon wieder ist es den Landespolitikern nicht recht: Plötzlich entdeckt der Kultursenator „eine große Gefühlsbindung“, die den Stadtstaat mit seinem Orchester verbinde. Der Staatsminister weist süffisant darauf hin, dass der Klangkörper auch dann noch am Kemperplatz aufspiele, wenn der nötige Scheck vom Bund ausgestellt werde.
Der Kulturzwist zwischen den beiden Berliner Regierungen wird das Publikum noch eine Weile unterhalten. Darin immerhin sind sich beide Seiten einig.
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