: Der Showdown bleibt diesmal aus
Nach Verhaftungen, Repressionen und um ein Blutvergießen zu verhindern, sagt Serbiens Opposition eine Demonstration in Pozarevac ab. Dafür sind Regimegegner am nächsten Montag zu einem Protest in Belgrad aufgerufen
von ANDREJ IVANJI
Die für gestern groß angekündigte Massenkundgebung der serbischen Opposition unter dem Motto „Stopp dem Terror“ in der Provinzstadt Pozarevac hat doch nicht stattgefunden. Obwohl die Demonstration offiziell nicht verboten war, blockierte die Polizei alle Zufahrten in die Geburtsstadt des jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Milošević, und seiner Gattin, Mira Marković.
Autobusse mit Oppositionellen und Lkws mit Lautsprecheranlagen und Bühnenkonstruktionen wurden aufgehalten und aus „technischen Gründen“ aus dem Verkehr gezogen. Nur Journalisten der regimetreuen Medien durften die Hofburg der regierenden Milošević-Sozialisten und Marković-Kommunisten betreten. Pozarevac ist eine der wenigen Städte, die nicht von der Opposition regiert wird.
Journalisten der unabhängigen Belgrader Tageszeitung Danas, der serbischen Nachrichtenagentur Beta und der französischen Agentur France Press wurden verhaftet. In Pozarevac wurden zwei holländische Journalisten und ihr Dolmetscher festgenommen. Inhaftiert wurde auch Nenad Canak, ein Oppositionsführer aus der Vojvodina.
Dafür organisierte gestern die Präsidentengattin und Chefin der „Jugoslawischen Linken“ (JUL), Mira Marković, in Pozarevac ein „patriotisches“ Volksfest, um den 9. Mai, den Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland, zu feiern. Zivadin Jotić, Abgeordneter der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO), beschrieb die Lage in der Stadt als „schrecklich“. Er sagte, Angehörige der Sonderpolizei seien aus allen Teilen Serbiens in Pozarevac eingetroffen. Das Regime wolle offensichtlich einen Konflikt mit Sympathisanten der Opposition provozieren.
Serbische Oppositionsführer sahen sich gezwungen, ihre Kundgebungen im letzten Augenblick abzusagen, um ein „Blutvergießen und einen Bürgerkrieg“ zu vermeiden. Dafür riefen sie alle Gegener des Regimes auf, sich am kommenden Montag in Belgrad einer Massendemonstration „gegen den Staatsterror“ anzuschließen. Nur Vertreter des SPO-Vorsitzenden Vuk Drašković sprachen sich gegen die Kundgebung aus. Drašković hatte noch am Montag seine Teilnahme in Pozarevac wegen wichtiger Termine abgesagt. Vladan Batić, Koordinator der „Allianz für den Wandel“, drohte, dass die Opposition die Straßen in Serbien blockieren würde. Der Chef der „Demokratischen Alternative“ (DA), Nebojsa Cović, sagte: „Nach den Ereignissen um Pozarevac ist alles möglich, aber wir dürfen keine Angst mehr haben.“
Die ganze Aufregung in Pozarevac hatte in der vergangenen Woche begonnen. Mitglieder der JUL und Freunde des Präsidentensprösslings Marko verprügelten die Aktivisten der Studentenbewegung „Widerstand“, Radojko Luković und Momčilo Veljković, und den Rechtsanwalt Nebojsa Sokolović. Obendrein wurden die drei noch verhaftet und wegen „Mordversuchs“ angeklagt.
Hohe Funktionäre brandmarkten „Widerstand“ als „faschistische Organisation“ und „Hitlerjugend“, die von der Nato bezahlt würde“, um mit der „so genannten“ Opposition ein Chaos in Serbien auszulösen.
Eine Vertreter von „Widerstand“ sagte der taz, die jüngsten „aggressiven“ Maßnahmen des Regimes zeigten, dass Serbiens Machthaber nervös geworden seien. Die Organisation würde ihre Aktionen verschärfen.
Ob die Ereignisse in und um Pozarevac zu einer Initialzündung für größere Konflikte in Serbien werden, wird sich bald zeigen. Viel hängt davon ab, ob Vuk Drašković weiter versucht, die Einigkeit der Opposition zu unterlaufen und seine Politik des „nur Redens“ fortsetzt. Und ob die Bürger Serbiens am kommenden Montag abermals in großer Anzahl auf die Straße gehen.
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